Leitsatz (amtlich)

Der 11. Zivilsenat des OLG Hamm folgt der Rechtsprechung (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 22.07.2019, 4 W 497/19), nach der der Anspruch des Trägers der Unfallversicherung gegen einen Durchgangsarzt wegen der Mehrkosten einer medizinischen Behandlung, die aufgrund behandlungsfehlerhafter durchgangsärztlicher Tätigkeit notwendig geworden ist, vor den Sozialgerichten geltend zu machen ist. Das gilt auch dann, wenn ein Zusammenhang mit einem vor den ordentlichen Gerichten zu verhandelnden Amtshaftungsanspruch eines Versicherten gegen den Träger der Unfallversicherung besteht. In diesen Fallkonstellationen ist die Rechtswegzuständigkeit "aufgespalten".

 

Normenkette

GG Art. 34; SGB VII § 34 III; SGG § 51 I Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 108 O 69/19)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 02.04.2020 wird auf Kosten der Klägerin nach einem Beschwerdewert von bis 6.600,00 Euro zurückgewiesen.

Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Münster vom 02.04.2020 wird im Tenor dahingehend klargestellt, dass der Rechtsstreit auch in Bezug auf die Entscheidung über den Feststellungsantrag an das Sozialgericht Münster verwiesen ist.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist eine gesetzliche Unfallversicherungsträgerin, der Beklagte zu 1) ein für sie tätiger Durchgangsarzt und der Beklagte zu 2) ein Vertreter des Beklagten zu 1). Mit der beim Landgericht Münster erhobenen Klage verlangt die Klägerin Erstattung ihr aufgrund einer behaupteten fehlerhaften Behandlung ihres Versicherten S entstandener Mehraufwendungen.

Zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) gilt der Vertrag gemäß § 34 Abs. 3 SGB VII zwischen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e. V. (DGUV), Berlin, dem Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-SpV), Kassel, einerseits und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, K.d.ö.R., Berlin, andererseits über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung der ärztlichen Leistungen (Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger), gültig ab 1. Januar 2011, vorgelegt als Anl. K 1 (Bl. 13-27 GA).

Der bei der Klägerin - so der Klagevortrag - versicherte S erlitt am 09.02.2016 einen Arbeitsunfall. Er rutschte beim Durchtrennen eines Abwasserrohres mit einer Flex ab und zog sich eine Schnittwunde am rechten Schienbein zu. Die Wunde wurde durch den - als Vertreter des Beklagten zu 1) tätig werdenden - Beklagten zu 2) im N-Spital in T durchgangsärztlich erstversorgt.

Der Beklagte zu 2) stellte eine ca. 4 cm große Schnittwunde am rechten Schienbein ventral fest. Nach sterilem Abdecken wurde die Wunde gereinigt. Es erfolgten eine Exzision der verschmutzten, leichtgradig koagulierten Wundränder nach lokaler Anästhesie und eine Nahtversorgung mit der Anlage eines Verbandes. Der Versicherte erhielt ein Rezept über Ibuprofen und Pantozol und wurde in die ambulante Weiterbehandlung entlassen.

Eine röntgenologische Untersuchung erfolgte nicht, was aus Sicht der Klägerin einen groben Befunderhebungsfehler darstellt. So seien, so die Klägerin, eine knöcherne Verletzung im Wundbereich mit einer Verletzung der Faszie und einer Schädigung der Zehenstreckersehne nicht erkannt worden, die Diagnose einer offenen Fraktur sei unterblieben. Auch eine Risikoabklärung in Bezug auf eine mögliche Wundinfektion sei behandlungsfehlerhaft versäumt, eine Antibiotikagabe sei nicht veranlasst worden. Über starke Schmerzen klagend habe sich der Versicherte dann am 11.02.2016 erneut bei einem Durchgangsarzt vorgestellt. Dieser habe eine Phlegmone des gesamten Unterschenkels bei trübserös sezernierender Wunde festgestellt und den Versicherten in das O-Hospital in H eingewiesen. Dort sei tags darauf eine operative Wundrevision vorgenommen worden. Nach einem weiteren stationären Krankenhausaufenthalt im April 2016 sei der Versicherte erst im Juli 2016 wieder arbeitsfähig gewesen.

Infolge der vorgetragenen Befunderhebungs- und Behandlungsfehler seien ihr, der Klägerin, bislang (Mehr-)Aufwendungen in Höhe von 17.677,90 Euro (Heilbehandlungskosten, Fahrtkosten, zu erstattende Entgeltfortzahlungen, Kosten zur Ermittlung des Behandlungsfehlers) entstanden, die bei einer fachgerechten Behandlung nicht angefallen wären. Mit Folgebehandlungen und weiteren Heilbehandlungskosten sei zu rechnen. Außerdem sei sie aufgrund der fehlerhaften ärztlichen Behandlung vom Versicherten auf Schadensersatz in Anspruch genommen worden und habe nach einer vergleichsweisen Einigung an ihn zur Abgeltung aller Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche 8.500,00 Euro gezahlt.

Die Klägerin meint, die Beklagten hätten die Mehraufwendungen (17.677,90 Euro) gem. §§ 280 Abs. 1, 278 BGB i. V. m. dem Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger zu erstatten. Zudem schuldeten sie ihr im Wege des Regresses den an den Versicherten gezahlten Schadensersatz- und Schmerzensgeldbetrag (8.500,00 Euro), für den sie...

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