Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 28.04.2021; Aktenzeichen 3 O 111/19) |
Gründe
Nach durchgeführter Beratung hält der Senat die Berufung des Klägers übereinstimmend für unbegründet.
Das Landgericht hat alle zur Verfügung stehenden Beweise ausgeschöpft und aus den eingeholten Sachverständigengutachten den überzeugenden Schluss gezogen, dass der beweisbelastete Kläger den Nachweis unfallbedingter Verletzungen nicht geführt hat.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist der medizinische Sachverständige ... nicht pauschal von einer sogenannten Harmlosigkeitsgrenze ausgegangen. Vielmehr hat er sowohl das vom Kläger behauptete Verletzungsbild, die degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule des Klägers als auch die geringe kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung berücksichtigt.
Nicht zutreffend ist auch, dass der Sachverständige ... sich nicht mit dem seitlichen Anstoß auseinandergesetzt hätte. Denn er hat neben der Geschwindigkeitsänderung in Längsrichtung gerade auch die zuvor durch den technischen Sachverständigen ... nachvollziehbar ermittelte kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung in Fahrzeugquerrichtung berücksichtigt - bei der ohnehin nur ein Wert von 5 km/h i.S.d. § 286 ZPO bewiesen ist - und bei einer Kollisionsdauer von 0,1 bis 0,2 s eine Querbeschleunigung von 7 bis 22 m/s2 (0,7 bis 2,2 g) angesetzt.
Ungeachtet dessen, ob der Ansicht des Klägers, dass auf die Fahrzeuginsassen höhere Kräfte einwirken, als auf das Fahrzeug selbst, überhaupt beizupflichten ist, hat der Sachverständige ... mit seinem - nicht angegriffenen - Gutachten die biomechanische Insassenbelastung im konkreten Fall bestimmt.
Dem Kläger ist zwar darin zuzustimmen, dass Besonderheiten des Einzelfalls wie etwa die konkrete Sitzposition, die Einstellung des Sitzes oder komplexe Bewegungen durchaus zu einer Erhöhung der Verletzungsgefahr führen können. Solche Besonderheiten sind vorliegend aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, wie der medizinische Sachverständige zutreffend erkannt hat.
Der Senat ist auch an die Feststellung des Landgericht gebunden, dass der Kläger in Bezug auf den Bandscheibenvorfall keine Kausalität des in Rede stehenden Unfallereignisses vorgetragen hat (§§ 314, 531 Abs. 2 ZPO).
Soweit der Kläger geltend macht, dass auch bloße Schmerzen und Beschwerden als Primärverletzung in Betracht kommen, und hierzu auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.06.2020 (Az.: VI ZR 435/19, NJW 2020, 3176 Rn. 20) verweist, ist dem insoweit zuzustimmen, dass der Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung ausgeführt hat, dass auch "starke Nacken- und Kopfschmerzen" als unfallbedingte Körperverletzungen zu bewerten sein können. Dies führt jedoch in dem vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis. Denn selbst wenn der Kläger hier unmittelbar nach dem Unfallereignis Schmerzen hatte, kann dies nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ... verschiedenste Ursachen haben. Mit Ausnahme des bloßen zeitlichen Ablaufs sprechen keine weiteren Anhaltspunkte für einen Zusammenhang mit dem Verkehrsunfallereignis, schon gar nicht gemäß den strengen Anforderungen des Vollbeweises nach § 286 ZPO. Vielmehr gibt es nach den Ausführungen des Sachverständigen ... für die von dem Kläger angeführten Beschwerden neben dem Verkehrsunfall eine andere, vollkommen taugliche Erklärung, nämlich alltägliche Bewegungen und Einwirkungen, die der Kläger jeden Tag mehrfach erlebt haben kann. Vor diesem Hintergrund wäre selbst bei Anlegen des erleichterten Beweismaßes des § 287 ZPO eine hinreichende bzw, weit überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht gegeben.
Die Berufung des Klägers bietet danach keine Aussicht auf Erfolg.
Der Kläger wird deshalb gebeten, binnen zwei Wochen mitzuteilen, ob das Rechtsmittel der Berufung zurückgenommen wird, oder ob es eines förmlichen Beschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO bedarf.
Es wird abschließend darauf hingewiesen, dass eine Rücknahme der Berufung die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren gemäß Nr. 1222 KV GKG von vier auf zwei Gebühren reduziert.
Fundstellen
Dokument-Index HI15829217 |