Leitsatz (amtlich)
Ist der Angeklagte im letzten Hauptverhandlungstermin anwesend, ist ihm das letzte Wort auf jeden Fall zu gewähren. Das gilt auch dann, wenn der Angeklagte an vorhergehenden Hauptverhandlungsterminen freiwillig nicht teilgenommen hat.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 21. Januar 2000 wegen Urkundenfälschung in sieben Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit Betrug, in drei Fällen in Tateinheit mit versuchtem Betrug und wegen eines weiteren Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Auf die Berufung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft Bochum hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil die Berufung des Angeklagten verworfen und auf die Berufung der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil im Strafausspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden ist.
Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision zu verwerfen.
II.
Die Revision des Angeklagten hat - zumindest vorläufig - Erfolg. Das angefochtene Urteil war auf die formelle Rüge des Angeklagten, mit der er einen Verstoß gegen §§ 337, 258 Abs. 2 und 3 StPO rügt, aufzuheben. Ihm liegt folgender Verhandlungsablauf zugrunde:
Der Angeklagte verließ am dritten von sieben Hauptverhandlungstagen am 29. September 2000 gegen den Willen des Gerichts den Verhandlungssaal und lehnte auch am darauffolgenden Fortsetzungstermin seine Vorführung ab. Am 23. Oktober 2000 ließ sich der Angeklagte zum sechsten Hauptverhandlungstag zunächst zur Hauptverhandlung vorführen, um bereits nach wenigen Minuten den Sitzungssaal erneut zu verlassen. Die Kammer setzte danach die Beweisaufnahme in Abwesenheit des Angeklagten fort und schloss diese im Einvernehmen mit den anwesenden Prozessbeteiligten. Noch am selben Tag hielten der Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger des Angeklagten in dessen Abwesenheit ihre Schlussvorträge. Am letzten Verhandlungstag am 24. Oktober 2000 war der Angeklagte bei Aufruf der Sache anwesend. Die Kammer setzte die Hauptverhandlung an diesem Tage mit der Verkündung des Urteils fort, ohne dem Angeklagten zuvor das letzte Wort erteilt zu haben.
Dieses Verfahren stellt einen Verfahrensfehler nach § 258 Abs. 2 StPO. Nach dieser Norm steht dem Angeklagten selbst das letzte Wort zu. Das gilt auch dann, wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und dieser für ihn gesprochen hatte. Die Verpflichtung, dem Angeklagten das letzte Wort zu gewähren, ist auch nicht durch die freiwillige Abwesenheit des Angeklagten an den vorherigen Haupterhandlungsterminen entfallen. Es entspricht ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung, dass ein Angeklagter nach seiner Rückkehr in die Hauptverhandlung seine Stellung mit all seinen Rechten wieder einnimmt (vgl. BGHR § 258 Abs. 3 letztes Wort 2).
Der Angeklagte hat auch sein Recht auf Ausübung des letzten Wortes durch seine freiwillige Abwesenheit nicht verwirkt. Dem Recht des Angeklagten auf das letzte Wort entspricht die Verpflichtung des Gerichts, nach § 258 Abs. 3 StPO dem Angeklagten von Amts wegen Gelegenheit zu geben, sich als Letzter persönlich abschließend zur Sache zu äußern (BGHSt 18, 84, 86, 87; 22, 278, 279). Das ist im Hinblick auf die Bedeutung dieses Rechts auch dann erforderlich, wenn das Gericht das Beweisergebnis schon abschließend beraten hatte und zur Verkündung des Urteils bereit ist (vgl. BGHR, § 258 Abs. 3 letztes Wort 2; BGH NStZ 1986, 372).
Es ist auch nicht auszuschließen, dass das Urteil auf diesem Verfahrensverstoß beruht. Insoweit genügt die bloße Möglichkeit, die sich im Übrigen nur selten ausschließen lassen wird (vgl. BGHSt 21, 288, 290 m. w. N. ). Die insoweit entwickelten Fallgruppen des umfänglich geständigen Angeklagten greifen vorliegend nicht ein. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten nicht eingeräumt und auch entsprechende Beweisanträge gestellt. Schon deshalb ist nicht auszuschließen, dass er die Möglichkeit des letzten Wortes genutzt hätte, um weitere Erklärungen abzugeben, die Anlass für weitere Beweiserhebungen oder eine andere Entscheidung hätten sein können.
Das angefochtene Urteil war daher mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückzuverweisen.
Auf die Anträge des Angeklagten und seines Verteidigers, die Untersuchungshaft aufzuheben, war keine Entscheidung des Senats veranlasst. Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4...