Leitsatz (amtlich)
Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren zur Nachtzeit.
Verfahrensgang
AG Schwerte (Entscheidung vom 20.04.2007) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Schwerte zurückverwiesen.
Gründe
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben, wie folgt begründet und in ihrer Stellungnahme Folgendes ausgeführt:
Das Amtsgericht Schwerte hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße in Höhe von 115,00 Euro festgesetzt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt (§ 25 StVG). Gegen dieses seinem Verteidiger am 15.05.2007 zugestellte (Bl. 51 d.A.) Urteil hat der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 20.04.2007, eingegangen bei dem Amtsgericht Schwerte am 21.04.2007, Rechtsbeschwerde eingelegt (Bl. 45 d.A.) und diese mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 21.05.2007, eingegangen bei dem Amtsgericht Schwerte am 23.05.2007, begründet (Bl. 55 f d.A.).
II.
Die Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird, ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden. Sie hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Die amtsgerichtlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht.
Das Amtsgericht hat festgestellt, der Betroffene habe am 07.08.2006 gegen 00.05 Uhr mit seinem Pkw die A 1 in Schwerte in Fahrtrichtung Köln befahren. In Höhe km 68,5 habe er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten, indem er sein Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von mindestens 144 km/h geführt habe. Diese Feststellungen beruhten auf den Aussagen der vernommenen Polizeibeamten Löhr und Scheffer. Diese hätten bekundet, sie seien dem Pkw des Betroffenen auf der A 1 ab Höhe km 68,5 in einem gleichbleibenden Abstand über eine Strecke von ca. 1.000 m gefolgt. In dieser Zeit hätten sie laut dem nicht justierten Tachometer ihres Pkw die in der Ordnungswidrigkeitenanzeige notierte Geschwindigkeit von 180 km/h abgelesen. Den Abstand zwischen ihrem Pkw und dem des Betroffenen hätten sie anhand der am Fahrbahnrand befindlichen Leitpfosten kontrolliert.
Der Betroffene habe in Abrede gestellt, nach Abzug des Toleranzwertes 144 km/h gefahren zu sein, da sein Wagen bauartbedingt nicht 180 km/h, sondern lediglich die im Fahrzeugschein eingetragene Höchstgeschwindigkeit von 157 km/h fahren könne.
Dies berücksichtigt die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Feststellung einer Geschwindigkeitsübeschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit außerhalb geschlossener Ortschaften entwickelten Grundsätze nicht in ausreichendem Maße. Bei den in der Regel schlechten Sichtverhältnissen zur Nachtzeit bedarf es im Urteil grundsätzlich näherer Feststellungen dazu, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren, ob der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt war und damit ausreichend sicher erfasst und geschützt werden konnte und ob für die Schätzung des gleichbleibenden Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug ausreichende und trotz Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden waren (zu vgl. Senatsbeschluss vom 06.09.2005 - 2 Ss OWi 512/05 -). Auch sind Ausführungen dazu erforderlich, ob die Umrisse des vorausfahrenden Fahrzeugs und nicht nur dessen Rücklichter erkennbar waren (zu vgl. Senatsbeschluss vom 13.03.2003 - 2 Ss OWi 201/03 -).
Die Feststellungen des Amtsgerichts enthalten indes keinerlei Angaben zu den Beleuchtungsverhältnissen auf der A 1. Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, ob die Strecke zwischen dem Fahrzeug der Polizeibeamten und denen des Betroffenen durch Scheinwerfer oder sonstige Lichtquellen aufgehalten war.
Auch lässt das Urteil ausreichende Ausführungen dazu, welchen Abstand die Polizeibeamten zum vorausfahrenden Fahrzeug gehalten haben, vermissen. Denn bereits bei einer Entfernung von ca. 150 m vermag das Scheinwerferlicht ein vorausfahrendes Fahrzeug in der Regel nicht mehr zu erreichen. Bei einem solchen Abstand genügt die alleinige Mitteilung im Urteil, die Beamten hätten sich bei der Abstandsfeststellung bzw. Abstandsschätzung an den Leitpfosten orientiert, nicht (zu vgl. Senatsbeschluss vom 13.03.2003, a.a.O.).
Vorstehende Grundsätze hat der Tatrichter vorliegend nicht beachtet, so dass das angefochtene Urteil nach alledem an einem Begründungsmangel leidet, der grundsätzlich zu dessen Aufhebung zwingt. Dieser Rechtsfehler führt nur dann ausnahmsweise nicht zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, wenn die vom Amtsgericht festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung auf einem uneingeschränkten und glaubhaften Geständnis des Be...