Verfahrensgang

AG Paderborn (Aktenzeichen 87 F 117/21)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Kindesmutter vom 16.08.2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Paderborn vom 11.07.2022 (87 F 117/21) teilweise abgeändert. Anstelle des Jugendamtes der Stadt A werden die Großeltern des Kindes O. P., M. und G. P., V.-straße ..., ... A, gemeinschaftlich zu Vormündern für O. bestellt.

Der Teilbereich der Sorge "Beantragung von Hilfen zur Erziehung" wird mit Einverständnis der Vormünder auf das Jugendamt der Stadt A, J.-straße ..., ... A, als Pfleger übertragen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.

Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Aus der nichtehelichen Beziehung der Kindeseltern ging der am 00.00.0000 geborene Sohn O. hervor. Spätestens seit April 2021 leben die Kindeseltern voneinander getrennt. Der Kindesvater verzog zu seinen Eltern nach C.. Mittlerweile verfügen beide Kindeseltern über eigene Wohnungen.

Die Kindesmutter stammt aus Russland und ist mit ihren Eltern im Alter von 13 Jahren nach Deutschland gezogen. Sie konsumierte in der Vergangenheit regelmäßig Heroin und Kokain. Sie durchlief bereits einige Entgiftungen und anschließende Suchthilfeprogramme, wurde jedoch immer wieder rückfällig. Seit längerem befindet sie sich in einem Methadonprogramm. Bis zum 27.09.2021 lebte O. in ihrem Haushalt. Die Kindesmutter erhielt in dieser Zeit zunächst Unterstützungsleistungen der Caritas, im weiteren Verlauf durch Mitarbeiter eines Betreuungsbüros sowie einer Sozialpädagogischen Familienhilfskraft des Jugendamtes.

Der Kindesvater wurde in Kasachstan geboren. Er erkannte bereits vor der Geburt von O. seine Vaterschaft durch Jugendamtsurkunde vom 00.00.2019 an. Auch er befindet sich aufgrund einer bestehenden Heroinsucht in einem Methadonprogramm. Im Jahr 2022 durchlief er eine Entwöhnungsbehandlung in der Klinik E.. Er ist mehrfach vorbestraft. Eine Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 25.10.2021 weist insgesamt zehn Eintragungen auf. Wiederholt sind Strafaussetzungen zur Bewährung widerrufen worden, so dass Haftstrafen verbüßt wurden. Auch zum Zeitpunkt der Geburt von O. befand sich der Kindesvater in Haft. Er wurde zuletzt am 24.06.2020 aus der Haft entlassen. Am 25.08.2021 wurde er wegen Erschleichens von Leistungen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung bis zum 01.09.2024 zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Aufgrund der Suchterkrankung der Kindesmutter musste O. nach der Geburt intensivmedizinisch versorgt werden, um die massiven Entzugserscheinungen zu überwinden.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 03.05.2021 (87 F 30/21) wurde die elterliche Sorge gemäß § 1626a BGB auf die Eltern zur gemeinsamen Ausübung übertragen.

Auf Antrag des Jugendamtes der Stadt A vom 28.07.2021 wurde das hiesige Verfahren eingeleitet. Anlass waren konkrete Hinweise darauf, dass die Kindesmutter massiv Alkohol und Kokain konsumiert.

Am 28.09.2021 wurde O. durch das Jugendamt in Obhut genommen und in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht. Die Kindesmutter hielt sich an jenem Tag im Bereich der Zentralstation in A auf, wobei sie zeitweise ihren Sohn mit einem dem Ordnungsamt bekannten Drogenkonsumenten allein ließ. O. drohte auf die Straße zu laufen, was durch den Mitarbeiter des Ordnungsamtes verhindert wurde. Als die Kindesmutter eintraf, stand sie nach dem Eindruck des Mitarbeiters des Ordnungsamtes unter Drogen. In einem daraufhin eingeleiteten einstweiligen Anordnungsverfahren entzog das Amtsgericht Paderborn durch Beschluss vom 29.09.2021 (87 F 150/21) der Kindesmutter die elterliche Sorge. Diese beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Auch der Kindesvater trat dem Antrag auf Entziehung der elterlichen Sorge entgegen. Er vertrat die Auffassung, er sei in der Lage, die Betreuung von O. zu übernehmen. Durch Beschluss vom 03.11.2021 hielt das Amtsgericht die einstweilige Anordnung vom 29.09.2021 aufrecht und entzog auch dem Kindesvater die elterliche Sorge für O.. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Kindesvaters wies der Senat mit Beschluss vom 16.12.2021 zurück.

Die Kindesmutter und ihre Eltern, M. und G. P., haben seitdem ein 14-tägiges Umgangsrecht mit O., das sie auch regelmäßig wahrnehmen. Die Kindesmutter hält sich insgesamt zwei Stunden bei O. auf, die Großeltern stoßen nach ca. 30-45 Minuten dazu.

Im hiesigen Verfahren hat das Amtsgericht nach Durchführung eines Anhörungstermins die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens durch die Sachverständige Rechtspsychologin S. K. beschlossen. In einer Erweiterung des Beschlusses sollte die Sachverständige ebenfalls prüfen, ob in dem Fall, dass die Kindeseltern auch mit entsprechenden Unterstützungsangeboten nicht in der Lage sein sollten, die Versorgung und Erziehung des Kindes sicher zu stellen, bei den Großeltern mütterlicherseits, M. und...

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