Leitsatz (amtlich)

Als nachhaltig erzielt kann ein Einkommen nur angesehen werden, wenn es nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft erzielt wird. Wesentlich ist dabei nicht die nachhaltige Sicherung eines bestimmten Arbeitsplatzes, sondern die nachhaltige Sicherung des Unterhalts durch Erwerbstätigkeit. Bei der Berechnung des nachhaltig gesicherten Einkommens ist der zeitweise Bezug von Arbeitslosengeld einzubeziehen.

 

Normenkette

BGB §§ 1615l, 1570

 

Verfahrensgang

AG Essen (Beschluss vom 12.02.2015; Aktenzeichen 107 F 119/14)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 4.3.2015 wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Essen vom 12.2.2015 abgeändert.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen Betreuungsunterhalt für den Zeitraum von Januar bis Juli 2014 in Höhe von 2.800,- EUR zuzüglich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.7.2014 sowie ab August 2014 monatlich Betreuungsunterhalt in Höhe von 400,- EUR zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt die Antragstellerin zu 6/10, der Antragsgegner zu 4/10.

Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 18.670,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I) Gegenstand des Verfahrens ist Betreuungsunterhalt gem. § 1615l BGB für die Zeit ab Januar 2014.

Die Beteiligten sind die Eltern von N, geb. ... Die Antragstellerin lebt mit N in X (Odenwald), von wo aus sie nunmehr für die Zeit ab Januar 2014 Unterhalt geltend macht. Zuletzt haben die Beteiligten am 31.1.2012 einen Vergleich vor dem OLG Hamm für die Zeit bis Dezember 2013 geschlossen (Beiakte 13 UF 97/11, Bl. 853 f.), wonach der Antragsgegner monatlich 520,- EUR an die Antragstellerin zu zahlen hatte. Für die Zeit danach sollte der Vergleich keine Bindungswirkung entfalten, der Antragstellerin sollte die Geltendmachung etwaiger Ansprüche ohne Bindung vorbehalten bleiben.

Die Antragstellerin ist Diplom-Ingenieurin für Landschaftspflege, hat in diesem Beruf zuletzt vor der Geburt von N gearbeitet und ein Einkommen von monatlich brutto 3.000,- EUR erzielt; einschließlich Steuererstattungsbeträgen hatte sie unstreitig monatlich netto 1.973,- EUR. Sie geht seit dem 24.2.2014 einer Beschäftigung als Teilhabe-Assistentin nach, zunächst mit 15 Wochenstunden, seit Juni 2014 mit 20 und seit August 2014 mit 25 Wochenstunden. Einschließlich Fahrtzeiten kommt sie danach auf durchschnittlich 35 Wochenstunden Abwesenheit. Ihr Einkommen in Höhe von zuletzt netto 598,31 EUR wird durch Fahrtkosten und die Kosten der Betreuung von N weitgehend aufgezehrt.

Die Beteiligten haben darum gestritten, ob und in welchem Umfang die Antragstellerin im erlernten Beruf Einkünfte erzielen kann, inwieweit ihr dabei wegen der Betreuung von N angesichts vorhandener Erkrankungen des Kindes eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist. Zu den Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses in der Fassung des Tatbestandsberichtigungsbeschlusses vom 17.3.2015 (Bl. 397 ff. d.A.) verwiesen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. den Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragstellerin rückständigen Betreuungsunterhalt in Höhe von 7.000,- EUR für den Zeitraum Januar bis Juli 2014 zuzüglich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2014 zu zahlen;

2. den Antragsgegner zu verpflichten, ab August 2014 an die Antragstellerin monatlich im Voraus Betreuungsunterhalt in Höhe von 1.000,- EUR zu zahlen.

Der Antragsgegner hat beantragt, diese Anträge abzuweisen.

Das AG hat den Antragsgegner fast vollständig nach Antrag verpflichtet. Von der Antragstellerin könne eine weitergehende Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden. Sie könne wegen der Betreuung des Kindes auch nicht im erlernten Beruf tätig sein; das sei völlig unrealistisch und würde sich auch nicht ändern, wenn die Antragstellerin umziehen würde. Dass der Antragsgegner sich verlässlich an der Betreuung des Kindes beteiligen würde, wenn dieses in F leben würde, sei nicht ersichtlich. Der Bedarf der Antragstellerin errechne sich aus dem letzten nachhaltig erzielten Einkommen vor der Geburt; dieses habe einschließlich Steuererstattung 1.973,- EUR betragen. Tatsächlich erziele sie bereinigt 121,- EUR monatlich. Der Antragsgegner sei leistungsfähig. Danach müsse der Antragsgegner die von der Antragstellerin verlangten 1.000,- EUR monatlich zahlen, bis auf den Monat Januar, in dem die Antragstellerin ihn zunächst nur zur Zahlung von 670,- EUR aufgefordert habe und daher nicht mehr verlangen könne.

Mit seiner Beschwerde rügt der Antragsgegner, das AG habe verkannt, dass die Kindesmutter zu fehlenden Betreuungsmöglichkeiten für N nichts Substanziiertes vorgetragen habe; in X seien nach Recherchen des Kindesvaters Betreuungsmöglichkeiten vorhanden. Auch das Betreuungsangebot des Antragsgegners selbst sei zu berücksichtigen. Die Antragstellerin treffe die Obliegenheit, sich bundesweit zu bewerben und ggf. umzuziehen; sie könne nicht geltend machen, in dem abgelegenen Ort, in dem sie nunmehr lebe, weder ange...

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