Leitsatz (amtlich)

1. Das Gebot besonderer Beschleunigung in Untersuchungshaftsachen gilt auch dann, wenn sich der Beschuldigte in anderer Sache in Strafhaft befindet und der Tatrichter davon absieht, die Justizvollzugsanstalt um die Notierung von Überhaft aufgrund des in seinem Verfahren erlassenen Untersuchungshaftbefehls zu ersuchen.

2. Zur Aufhebung des Untersuchungshaftbefehls wegen einer gravierenden Verletzung des Beschleunigungsgebots.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Entscheidung vom 08.07.2009; Aktenzeichen 2 KLs 16/09)

 

Tenor

Der Haftbefehl des Landgerichts Bielefeld gegen den Angeklagten W vom 8. Juli 2009 (2 KLs 16/09) in der Fassung des Haftbefehls vom 14. November 2011 (2 KLs 16/09) wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Angeklagten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 1. Februar 2009 in Haft, seit dem 16. Juli 2009 in der Justizvollzugsanstalt C2. Nach seiner Inhaftierung verbüßte er zunächst Strafhaft in zwei anderen Verfahren: einen Strafrest von 1.018 Tagen von ursprünglich sechs Jahren aufgrund eines Urteils aus dem Jahre 2005 sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 25 Tagen aufgrund einer Entscheidung aus dem Jahre 2007.

Am 25. Mai 2009 erhob die Staatsanwaltschaft Bielefeld in der vorliegenden Sache Anklage gegen den Beschwerdeführer sowie weitere acht Mitangeschuldigte. Am 8. Juli 2009 - zugleich mit dem Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens - erließ die Strafkammer einen Untersuchungshaftbefehl gegen den Angeklagten. Ausfertigungen des Haftbefehls wurden der Staatsanwaltschaft übersandt und dem Angeklagten am 9. Juli 2009 in der Justizvollzugsanstalt zugestellt. Eine förmliche Verkündung des Haftbefehls erfolgte in der Folgezeit nicht, ebensowenig ersuchte die Strafkammer die Justizvollzugsanstalt um die Notierung von Überhaft für das vorliegende Verfahren.

Die Hauptverhandlung vor der II. großen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld begann am 17. Juli 2009. Hauptverhandlungstermine fanden sodann wie folgt statt:

03.08.2009 13:30 Uhr bis 14:17 Uhr

12.08.2009 09:50 Uhr bis 12:08 Uhr

19.08.2009 09:37 Uhr bis 12:45 Uhr

21.08.2009 10:00 Uhr bis 10:57 Uhr

14.09.2009- 10:02 Uhr bis 12:28 Uhr

22.09.2009 11:25 Uhr bis 12:10 Uhr

09.10.2009 13:18 Uhr bis 15:05 Uhr

21.10.2009 10:18 Uhr bis 11:20 Uhr

22.10.2009 13:10 Uhr bis 13:30 Uhr

04.11.2009 10:20 Uhr bis 12:14 Uhr

23.11.2009 09:50 Uhr bis 10:45 Uhr

08.12.2009 14:15 Uhr bis 15:27 Uhr

15.12.2009 09:55 Uhr bis 12:11 Uhr

21.12.2009 10:02 Uhr bis 11:00 Uhr

21.01.2010 09:51 Uhr bis 11:20 Uhr

03.02.2010 09:43 Uhr bis 10:00 Uhr

17.02.2010 10:30 Uhr bis 12:36 Uhr

26.02.2010 09:56 Uhr bis 12:55 Uhr

03.03.2010 10:04 Uhr bis 13:24 Uhr

15.03.2010 09:40 Uhr bis 10:40 Uhr

16.03.2010 13:42 Uhr bis 13:50 Uhr

19.03.2010 14:24 Uhr bis 14:36 Uhr

07.04.2010 10:38 Uhr bis 11:38 Uhr

Mit Beschluss vom 13. April 2010 (III-3 Ws 140/10) verwarf der Senat eine Haftbeschwerde des Mitangeklagten D als unbegründet. In diesem Beschluss führte der Senat aus, dass die Strafkammer das Verfahren mit bis dato 24 Verhandlungstagen -noch- ausreichend gefördert habe, wobei der Senat hierbei der Anzahl der Angeklagten und dem Umstand, dass das Verfahren gegen vier der ehemals neun Angeklagten bereits abgeschlossen war, Rechnung trug.

Eine Änderung der Terminierungspraxis der Strafkammer trat in der Folgezeit nicht ein. Hauptverhandlungstermine fanden statt am:

14.04.2010 09:45 Uhr bis 12:30 Uhr

27.04.2010 12:40 Uhr bis 13:05 Uhr

18.05.2010 09:44 Uhr bis 13:32 Uhr

20.05.2010 13:17 Uhr bis 13:54 Uhr

11.06.2010 10:10 Uhr bis 11:55 Uhr

28.06.2010 13:19 Uhr bis 13:40 Uhr

20.07.2010 13:20 Uhr bis 14:10 Uhr

28.07.2010 10:18 Uhr bis 12:30 Uhr

18.08.2010 09:45 Uhr bis 10:30 Uhr

27.08.2010 13:40 Uhr bis 13:50 Uhr

27.09.2010 13:45 Uhr bis 16:12 Uhr

11.10.2010 11:15 Uhr bis 12:40 Uhr

25.10.2010 11:22 Uhr bis 12:00 Uhr

08.11.2010 11:25 Uhr bis 13:33 Uhr

15.11.2010 11:10 Uhr bis 14:03 Uhr

29.11.2010 11:38 Uhr bis 13:25 Uhr

13.12.2010 11:20 Uhr bis 14:05 Uhr

20.12.2010 12:00 Uhr bis 12:25 Uhr

29.12.2010 11:48 Uhr bis 12:10 Uhr

17.01.2011 14:03 Uhr bis 14:50 Uhr

31.01.2011 13:38 Uhr bis 15:20 Uhr

22.02.2011 13:12 Uhr bis 13:35 Uhr

04.03.2011 09:43 Uhr bis 11:32 Uhr

21.03.2011 09:38 Uhr bis 11:40 Uhr

04.04.2011 10:12 Uhr bis 15:46 Uhr

12.04.2011 12.33 Uhr bis 14.25 Uhr

29.04.2011 09.35 Uhr bis 13.07 Uhr

11.05.2011 09.53 Uhr bis 11.32 Uhr

18.05.2011 12.13 Uhr bis 14.15 Uhr

Mit Beschluss vom 6. Juni 2011 (III-3 Ws 168/11) hob der Senat den Untersuchungshaftbefehl gegen den Mitangeklagten D auf. Zur Begründung führte der Senat aus, die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaftanordnung sei im Hinblick auf die mangelnde Förderung des Verfahrens durch die Strafkammer, namentlich die zu geringe Terminierungsdichte und die vergleichsweise kurze Dauer zahlreicher Termine, nicht mehr verhältnismäßig.

Eine Änderung der Terminierungspraxis der Strafkammer trat in der Folgezeit nicht ein. Hauptverhandlungstermine fanden an folgenden Tagen statt:

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