Entscheidungsstichwort (Thema)

Corona. Covid-19. Ansammlung. Zusammenkunft. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das "Ansammlungsverbot" gemäß § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW (i.d.F. vom 30.03.2020 bzw. 27.04.2020) findet in § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Die Verordnungsermächtigung der §§ 32, 28 Abs. 1 IfSG und § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW in seiner konkreten Ausgestaltung verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.

2. "Zusammenkunft oder Ansammlung" i.S.d. § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW ist jedes Zusammenkommen einer Mehrzahl von Personen mit einem inneren Bezug oder einer äußeren Verklammerung. Nicht erfasst ist jede zufällige gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Menschen im öffentlichen Raum.

3. Es ist nicht geboten, das Vorliegen einer (bußgeldbewehrten) Ansammlung i.S.d. § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW an die zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung der tatsächlichen Unterschreitung eines Mindestabstands von 1,50 Meter zu knüpfen. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit bedarf es jedoch einer dahingehenden Einschränkung, dass eine verbotene Ansammlung i.S.d. § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW nicht vorliegt, wenn eine derartige räumliche Trennung gegeben ist, aufgrund derer die Gefahr der Unterschreitung eines ein Infektionsrisiko ausschließenden Mindestabstands zu verneinen ist, die häufig mit dem Zusammenkommen mehrerer Menschen einhergeht.

4. Im Rahmen der Beweiswürdigung ist vom Tatrichter grds. darzulegen, wie das Gericht die Einschätzung von Zeugen bzgl. des Abstands zwischen den Personen einer Ansammlung bzw. Zusammenkunft überprüft hat.

 

Normenkette

CoronaSchVO NRW § 12 Fassung: 2020-03-30; CoronaSchVO NRW § 12 Fassung: 2020-04-27; IfSG §§ 28, 32

 

Verfahrensgang

AG Brakel (Aktenzeichen 11 OWi 262/20)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (Alleinentscheidung der mitunterzeichnenden Einzelrichterin).

Die Sache wird auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden übertragen (Alleinentscheidung der mitunterzeichnenden Einzelrichterin).

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass die verhängte Geldbuße auf 200,00 Euro herabgesetzt wird.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Brakel hat den Betroffenen wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen § 12 CoronaSchVO NRW iVm § 16 III Nr. 2 CoronaSchVO NRW (i.d.F. vom 30.03.2020) zu einer Geldbuße von 230,00 Euro verurteilt.

In der Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

„Am 05.04.2020 zwischen 20.00 Uhr und 20.30 Uhr ging der Betroffene gemeinsam mit den gesondert verfolgten L und N die I-Gasse in Richtung Stadtmitte. Dabei gingen sie nebeneinander und erkennbar zusammengehörig die I-Gasse hoch. Einen Abstand von 1,5 m und mehr hielten sie dabei nicht ein. Sie schäkerten zusammen und hatten Spaß.

Der Betroffene wohnte zu diesem Zeitpunkt nicht in häuslicher Gemeinschaft mit den Zeugen L und N. Auch die Zeugen waren zu diesem Zeitpunkt nicht unter einer gemeinsamen Anschrift gemeldet. Der Betroffene wusste, dass es aufgrund der derzeit aktuellen Coronaschutzverordnung zu diesem Zeitpunkt unter anderem untersagt war, sich mit mehr als zwei Personen in der Öffentlichkeit anzusammeln bzw. zusammen zu kommen, wenn man nicht in häuslicher Gemeinschaft wohnte.

Auf der Höhe der I-Gasse # wurden sie von den Polizeibeamten und Zeugen N2 und N3 angetroffen und kontrolliert.

Einige Tage zuvor hatten die beiden Polizeibeamten den Betroffenen und die Zeugen in den C-Wiesen angetroffen, als sie gemeinsam mit anderen Personen ein Picknick machen bzw. grillen wollten. In diesem Zusammenhang wurden der Betroffene und die Zeugen auf die Coronapandemie hingewiesen und verwarnt. Die Polizei war zu diesem Einsatz von einem Anwohner gerufen worden.“

Das Amtsgericht hat seine Feststellungen zur Sache maßgeblich auf die Bekundungen der als Zeugen vernommenen Polizeibeamten N2 und N3 gestützt.

Zum Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht ausgeführt:

„Die von dem Betroffenen begangene Ordnungswidrigkeit kann gemäß § 16 I, III Nr. 2 CoronaSchVO NRW mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro geahndet werden. Bei der Festsetzung der Geldbuße war zu Lasten des Betroffenen insbesondere zu berücksichtigen, dass die Ordnungswidrigkeit vorsätzlich begangen wurde. Unter Abwägung aller für und gegen den Betroffenen sprechenden Umstände hielt das Gericht die Verhängung einer Geldbuße von 230 Euro für tat- und schuldangemessen, einerseits erforderlich, andererseits aber auch ausreichend."

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Eine Zusammenkunft oder Ansammlung im Sinne von § 12 Abs.1 CoronaSchVO NRW liege nicht vor. Eine solche Zusammenkunft oder Ansammlung sei nur gegeben, wenn mehr als zwei Personen zueinander jeweils wenige...

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