Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von nicht eintragungspflichtigen Vortaten bei der Bußgeldbemessung. Verwertungsverbot
Leitsatz (amtlich)
Auch frühere Bußgeldentscheidungen, die wegen Nichtüberschreitung der Eintragungsgrenze nicht in das Fahreignungsregister einzutragen sind, dürfen grundsätzlich zu Lasten des Betroffenen berücksichtigt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Vorahndung noch nicht länger zurückliegt als die kürzeste Tilgungsfrist nach § 29 Abs. 1 StVG.
Normenkette
StVG §§ 28-29; OWiG § 17
Verfahrensgang
AG Siegen (Aktenzeichen 431 OWi 173/18) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).
Gründe
Zusatz:
Ergänzend zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft ist anzumerken, dass die Verwertung der rechtskräftigen verkehrsrechtlichen Vorahndung des Betroffenen (Geldbuße von 55 Euro wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit) keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Das Amtsgericht hat diese Vorahndung neben anderen Umständen mit herangezogen, um von der Verhängung eines Fahrverbots nicht abzusehen. Auch wenn es sich insoweit um eine nicht in das Fahreignungsregister eintragungspflichtige Verurteilung handelt (§ 28 Abs. 3 Nr. 3 lit. a, bb StVG), hindert dies nicht die Verwertung dieser Bußgeldentscheidung im vorliegenden Verfahren zu Lasten des Betroffenen. Auch Bußgeldentscheidungen, die wegen Nichtüberschreitung der Eintragungsgrenze nicht in das Fahreignungsregister einzutragen sind, dürfen grundsätzlich zu Lasten des Betroffenen berücksichtigt werden (BayObLG NJW 1973, 1761, 1762; OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.11.1985 - 2 Ss (OWi) 275/85 - 101/85 III). Anders als bei eintragungsfähigen Vorahndungen, für welche § 29 Abs. 7 StVG nach deren Löschung ein Verwertungsverbot vorsieht, besteht ein solches für nicht eintragungspflichtige Vorahndungen nicht. Es stellt auch keinen Wertungswiderspruch dar, Vorahndungen, die so gering ausgefallen sind, dass sie nicht eintragungsfähig sind, zu Lasten des Betroffenen zu verwerten, während dies bei eintragungsfähigen Vorahndungen nach einem bestimmten Zeitablauf nicht mehr zulässig ist. Das Verwertungsverbot beruht auf der Überlegung, dass nach einem gewissen Zeitablauf eine Vorahndung dem Betroffenen nicht mehr vorgehalten werden soll, weil er sich bei unverlängertem Ablauf der Tilgungsfrist im Sinne der Verkehrssicherheit bewährt hat (Dauer in: Hentschel/u.a., Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 29 StVG Rdn. 20). Diese Überlegung greift hingegen bei einer Vorahndung, jedenfalls wenn sie noch nicht länger zurückliegt als die kürzeste Tilgungsfrist nach § 29 Abs. 1 StVG, nicht. Dass die hier fragliche Vorahndung noch nicht länger zurückliegt, kann der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, welche keine konkreten Daten mitteilen, angesichts von Formulierungen wie, dass diese Vorverurteilung, welche von dem erkennenden Gericht vorgenommen worden war, "zwischenzeitlich" in der Rechtsbeschwerdeinstanz bestätigt worden sei, was eindeutig auf eine erst kürzliche Entscheidung - noch während des laufenden Verfahrens - hindeutet, noch entnehmen. Es kann daher dahinstehen, ob insoweit ein Verwertungsverbot analog § 29 Abs. 7 StVG nach entsprechendem Zeitablauf bestünde (so BayObLG a.a.O. m. abl. Anmerkung Ganslmayer NJW 1973, 1761). Dafür könnte allerdings sprechen, dass ansonsten tatsächlich ein Wertungswiderspruch entstünde.
Fundstellen
Haufe-Index 13058531 |
ZfS 2019, 411 |