Leitsatz (amtlich)

Die Befreiung eines Schöffen durch den Vorsitzenden von der Teilnahme an der Hauptverhandlung kann das Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob die Entbindung von der Dienstleistung willkürlich geschehen ist. Allerdings muss bei der Prüfung der Frage, ob ein Schöffe verhindert ist, ein strenger Maßstab angelegt werden.

 

Tenor

Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten, als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 6 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

II.

Die Revision des Angeklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1.

Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Rechtsfehler hat den Angeklagten belastende Rechtsfehler nicht erkennen lassen. Die vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 6 Fällen. Auch die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs zeigt keine den Angeklagten belastenden Rechtsfehler auf.

2.

Näherer Erörterung bedarf nur die formelle Rüge des Angeklagten:

a) Mit dieser hat der Angeklagte einen Verstoß gegen § 338 Nr. 1 StPO geltend gemacht. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Nach der Schöffenliste war zur Teilnahme an der am 5. Dezember 2000 beginnenden Hauptverhandlung und an den weiteren vorgesehenen Hauptverhandlungsterminen als Hauptschöffe der Schöffe St. vorgesehen. Dieser teilte nach seiner Ladung zum Termin auf einer Postkarte mit, dass er in der Zeit vom 10. bis zum 17. Dezember 2000 urlaubsbedingt ortsabwesend sein würde. Der Vorsitzende der Strafkammer verfügte daraufhin die Ladung des nächst bereiten Hilfsschöffen. Der Hilfsschöffe R. wurde daraufhin am 24. November 2000 zum Hauptverhandlungstermin geladen. Er erschien dann aber zu Beginn der Hauptverhandlung nicht. Die Strafkammer versuchte zunächst, diesen Schöffen telefonisch zu erreichen. Als dieses trotz dreimaligen Versuchs nicht gelang, wurde der Hilfsschöffe A. geladen, der sodann an der Hauptverhandlung teilnahm.

b) Die auf diesen Verfahrensgang gestützte Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 1 StPO führt nicht zum Erfolg.

Die Rüge ist noch ausreichend im Sinn des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO begründet, da sich der dargestellte Verfahrensgang dem Gesamtzusammenhang der Revisionsbegründung entnehmen lässt. Zwar hat der Angeklagte weder die von ihm in der Hauptverhandlung vorgetragene Beanstandung der Kammerbesetzung noch den daraufhin ergangenen Kammerbeschluss im Wortlaut vorgetragen. Das schadet indes vorliegend nicht, da es nicht um die Besetzung in einem erstinstanzlich beim Landgericht anhängigen Verfahren, sondern um die Besetzung der großen Strafkammer als Berufungskammer geht. Dort ist aber die Erhebung des Besetzungseinwandes zur Erhaltung der Besetzungsrüge in der Revision (§§ 338 Nr. 1, 222 a StPO) nicht erforderlich. Das hat Auswirkungen auf den Umfang des Revisionsvortrags zur Begründung des geltend gemachten absoluten Revisionsgrundes nach § 338 Nr. 1 StPO.

Die Rüge ist indes unbegründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Verwerfungsantrag wie folgt begründet:

Die Rügen sind unbegründet. Der Hauptschöffe St. hatte dem Gericht schriftlich mitgeteilt, er sei in der Zeit vom 10. - 17. 12. 2000 urlaubsbedingt nicht ortsanwesend, so dass er an den Hauptverhandlungstagen vier und fünf verhindert sei. Diese Verhinderung an den Fortsetzungsterminen war nach Meinung der Kammer ausreichend, um den Schöffen insgesamt zu entbinden. Dies wird von der Revision mit dem Vorwurf angegriffen, es sei in keiner Weise ersichtlich, welche Bemühung das Gericht unternommen habe, um den Schöffen doch zu einer Mitwirkung an der Hauptverhandlung zu bewegen.

Die Befreiung eines Schöffen durch den Strafkammervorsitzenden kann das Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob die Entbindung von der Dienstleistung willkürlich geschehen ist (§ 336 Satz 2 StPO i. V. m. § 77 Abs. 1, Abs. 3 Satz 3, § 54 Abs. 3 Satz 1 GVG) . Allerdings muss bei der Prüfung der Frage, ob ein Schöffe verhindert ist, ein strenger Maßstab angelegt werden. Bedeutung und Gewicht des Schöffenamtes verlangen, dass der Schöffe berufliche und private Interessen zurückstellt, wenn und soweit es ihm möglich oder zumutbar ist. Die Rechtsprechung macht dabei einen Unterschied zwischen einem beabsichtigten Urlaub und beruflichen Verhinderungsgründen (zu vgl. BGH NJW 1977, 443). In der Wahrnehmung einer beruflichen Aufgabe wird sich der Schöffe nicht selten vertreten lassen können; häufig wird es sich dabei auch um eine verhältnismäßig kurze Abhaltung handeln, die verschoben oder durch eine Unterbrechung der Verhandlung nach § 229 StPO Rechnung getragen werden kann.

Unter Berücksichtigung dies...

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