Leitsatz (amtlich)

1. Die Anforderungen, die an die Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu stellen sind, müssen im Rahmen der Erwachsenenadoption nicht dieselben sein wie bei der Minderjährigenadoption.

2. Bei der Annahme von Personen vorgerückten Alters sind an die Unterhaltung dauernder persönlicher Beziehungen weniger weitgehende Anforderungen zu stellen als bei der Adoption minderjähriger Kinder, wie auch bei leiblichen Verwandten die Familienbeziehungen sich im Lauf der Jahre zu lockern oder andere Formen anzunehmen pflegen.

 

Verfahrensgang

AG Gladbeck (Beschluss vom 21.09.2011; Aktenzeichen 10 F 123/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Annehmenden und der Anzunehmenden vom 27.10.2011 wird der Beschluss des AG Gladbeck vom 21.9.2011 abgeändert.

Die Anzunehmende zu 1), Frau M3, geborene X, geboren am 15.3.1956, wohnhaft F-Straße,...2 H2, die Anzunehmende zu 2), Frau C4, geborene X, geboren am 14.2.1962, wohnhaft C-Weg,... H2 und die Anzunehmende zu 3) Frau S, geborene X, geboren am 4.1.1959, wohnhaft T-Str.,...2 H2, werden von der Annehmenden I1 I2, geborene Mutter, geboren am 3.7.1927, wohnhaft I-Straße,...2 H2, jeweils als Kind angenommen.

Die Anzunehmenden behalten ihren Geburtsnamen.

Die Gerichtskosten werden den Beteiligten als Gesamtschuldner auferlegt.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Annehmende ist verwitwet und hat keine Kinder. Ihr Ehemann ist am 1.5.1996 verstorben. Die Annehmende ist die Tante der Anzunehmenden. Die Anzunehmenden sind Geschwister. Sowohl die Annehmende als auch die Anzunehmenden besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Eltern der Anzunehmenden sind 2004 und 2010 verstorben. Bereits vor Jahren errichtete die Annehmende zusammen mit ihrem verstorbenen Ehemann bei dem Notar N in H ein Testament, wonach die Anzunehmenden jeweils als Erben eingesetzt worden sind. Zum Erbe gehören u.a. der hälftige Teil eines größeren Wohn- und Geschäftshauses auf der I-Straße in H2, ein Optikerladen und ein Lottogeschäft. Die Annehmende erstellte eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung, in der sie die Anzunehmenden für den Erkrankungsfall als Vertretungsberechtigte angab.

Die Anzunehmende zu 1) ist seit dem 7.7.1977 verheiratet. Sie hat zwei eheliche Kinder, Frau M2, geboren am 7.2.1989, und K M, geboren am 5.3.1994. Die Anzunehmende zu 2) ist seit dem 5.8.1985 verheiratet. Sie hat drei eheliche Kinder, Frau L, geborene C, geboren am 24.11.1986, Herr C2, geboren am 11.5.1988, und Herr C, geboren am 24.10.1995. Die Anzunehmende zu 3) ist verwitwet. Sie hat zwei eheliche Kinder, Herrn T2, geboren am 13.3.1985, und Herrn T, geboren am 25.5.1988.

Mit notarieller Urkunde des Notars N1 in H2 - Urkundenrolle-Nummer.../... - erklärte die Annehmende, dass sie die Anzunehmenden als Kind annehmen wolle. Die Anzunehmenden und die Annehmende erklärten, dass zwischen ihnen bereits vor längerer Zeit ein Mutter-Kind-Verhältnis entstanden sei. So intensive Beziehungen, wie sie, die Annehmende, zu ihren, den Anzunehmenden, unterhalte, habe sie zu keinem anderen Verwandten. Sie seien ohnehin ihre nächsten Verwandten. Das sehr enge familiäre Verhältnis zwischen ihnen habe sich seit der Geburt der jeweiligen Nichten entwickelt. Die Anzunehmenden kümmerten sich um die Annehmende, wie dies eine Tochter für ihre Mutter tue.

Die Annehmende und die Anzunehmenden beantragten beim AG - Familiengericht - Gladbeck mit vorgenannter notarieller Urkunde auszusprechen, dass die Anzunehmenden von der Annehmenden als Kind angenommen werden, wobei sie, die Anzunehmenden, jeweils ihren Geburtsnamen behielten. Der Ehemann der Anzunehmenden zu 1), Herr M, und der Ehemann der Anzunehmenden zu 2), Herr C3, erklärten, dass sie darin einwilligen, dass ihre jeweilige Ehefrau durch die Annehmende als Kind angenommen werde.

Das AG - Familiengericht - Gladbeck hat nach persönlicher Anhörung der Annehmenden und der Anzunehmenden mit Beschluss vom 21.9.2011 den Adoptionsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Volljährigenadoption nicht gegeben seien. Es sei bereits zweifelhaft, ob zwischen der Annehmenden und den Anzunehmenden eine Eltern-Kind-Beziehung bestehe oder nur eine gute verwandtschaftliche Beziehung zu einer alleinstehenden Tante. Indes könne dies dahinstehen, da die Adoption sittlich nicht gerechtfertigt sei. Die sittliche Rechtfertigung fehle dann, wenn wirtschaftliche Interessen das Hauptmotiv für die Adoption seien. Verbleibende Zweifel an der Motivationslage wirkten sich dabei zu Lasten der Antragsteller aus. Die persönliche Anhörung habe ergeben, dass die gewünschte Einsparung der Erbschaftssteuer den Hauptgrund für den Adoptionsantrag darstelle. Die Annehmende verfüge über Immobilienvermögen in erheblicher Höhe in Form eines Wohn-und Geschäftshauses in der H Fußgängerzone sowie über zwei Geschäfte. Es sei offensichtlich, dass sich darin eine erhebliche Erbmasse verberge. Die Anzunehmenden müssten - verglichen ...

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