Verfahrensgang
AG Bielefeld (Entscheidung vom 19.04.2016; Aktenzeichen 35 OWi 402 Js 977/16-296/16) |
Tenor
Die Sache wird dem Senat für Bußgeldsachen in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung der Einzelrichterin).
Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen
Gründe
I.
Das Amtsgericht Bielefeld hat den Betroffenen am 19. April 2016 wegen Nichtparkens am rechten Fahrbahnrand zu einer Geldbuße von 15,00 EUR verurteilt.
Das Amtsgericht hat zu dem Parkverstoß folgende Feststellungen getroffen:
"Am 24.09.2015 parkte der Betroffene gegen 15:38 Uhr seinen Pkw Smart mit dem amtlichen Kennzeichen XXX an der B-straße in A in Höhe der Hausnummer 00 am Fahrbahnrand, wobei er nicht parallel zur Fahrbahn parkte, sondern quer."
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wendet sich der Betroffene gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld und macht geltend, er habe ausweislich des Lichtbildes Blatt 6 der Akten nicht am rechten Fahrbahnrand, sondern neben der Bstraße auf einem gesondert durch Leitlinien abgegrenzten Parkstreifen geparkt; dort gelte jedenfalls nicht das Gebot des Parallelparkens.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,
den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts gemäß § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung der mitentscheidenden Einzelrichterin des Senats).
III.
Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 OWiG zu, da die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts geboten ist.
IV.
Das Rechtsmittel hat (vorläufig) Erfolg. Das Urteil ist auf die erhobene Sachrüge aufzuheben, denn die Feststellungen des Amtsgerichts tragen den Schuldspruch nicht. Ferner hat das Amtsgericht keine Feststellungen zur Vorsatzart getroffen, so dass der Schuldspruch lückenhaft ist.
1.
Der Senat legt seiner Entscheidung zugrunde, dass der Betroffene sein Fahrzeug nicht auf der Fahrbahn, sondern auf auf einem entlang der rechten Fahrbahn angelegten Parkstreifen geparkt hat. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem mittels ordnungsgemäßer Verweisung nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG in Bezug genommenen Lichtbild Blatt 6 der Akten. Darauf ist das geparkte Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XXX abgebildet. Aufgrund der Größe des Bildausschnitts ist erkennbar, dass der Parkstreifen, auf dem das Fahrzeug quer abgestellt ist, mittels einer durchgezogenen Linie von der Fahrbahn, in die Straßenbahnschienen eingelassen sind, abgetrennt ist. Auch auf der anderen Seite, der Fahrbahn abgewandten Seite des Streifens befindet sich eine durchgezogene Linie. Auf der linken Seite ist der Parkstreifen durch ein Beet oder einen Grünstreifen begrenzt, das bzw. der durch eine hohe Bordsteinkante eingefasst ist. Am rechten Bildrand ist das Heck eines neben dem Fahrzeug des Betroffenen abgestellten Fahrzeugs erkennbar, das auf dem Parkstreifen innerhalb der durch die durchgezogenen Linien vorgesehenen Begrenzungen parallel zur Fahrbahn steht. Die Feststellung in Ziffer II. der schriftlichen Urteilsgründe, der Betroffene habe seinen Pkw "am Fahrbahnrand" geparkt, stellt sich daher als sprachliche Ungenauigkeit dar, die für sich genommen den Bestand des Urteils des Amtsgerichts nicht gefährdet. Denn tragende Erwägung für die Verurteilung war, wie sich auch aus den Ausführungen zu Ziffern III. und IV. der Urteilsgründe ergibt, dass der Pkw nicht parallel, sondern quer zur Fahrbahn stand.
2.
Das Amtsgericht entnimmt der Vorschrift des § 12 Abs. 4 S. 1 StVO im Wege der Auslegung ein grundsätzliches Gebot des Parallelparkens und hat daher - abgesehen von der Bezugnahme auf das Lichtbild Blatt 6 der Akten - keine Feststellungen zu den örtlichen Verhältnissen getroffen. Dies begegnet durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken.
a) Die Frage, ob der Vorschrift des § 12 Abs. 4 S. 1 StVO ein grundsätzliches Gebot des Parallelparkens entnommen werden kann, ist streitig.
aa) Von einem Teil der Literatur und in der Rechtsprechung wird unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 9. Mai 1962 - 4 StR 93/62 (ergangen auf Vorlagebeschluss des OLG Düsseldorf, abgedruckt in NJW 1962, 1405) angenommen, dass auch ohne entsprechende Parkflächenmarkierungen ausnahmsweise schräg oder quer zum Fahrbahnrand geparkt werden darf, wenn die örtlichen Verhältnisse es erlauben oder wegen des Gebots, platzsparend zu parken, sogar nahelegen (KG Berlin, Beschluss vom 23. Dezember 1991 - 2 Ss 186/91 - 3 Ws (B) 236/91, NZV 1992, 249; OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. Juli 1982 - 1 Ss 536/82, VRS 63, 388; OLG Köln, Beschluss vom 9. Januar 1987 - Ss 604/86, VRS 72, 382; AG Viechtach, Beschluss vom 23. August 2005 - 7 II OWi 605/...