Verfahrensgang
AG Dortmund (Entscheidung vom 03.05.2012; Aktenzeichen 110 F 6615/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dortmund vom 3.5.2012 teilweise abgeändert.
Die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von 60.489,51 € nebst Zinsen (erster Absatz der Beschlussformel) wird aufgehoben. Der Antrag der Antragstellerin auf Auszahlung des hälftigen des auf die Ehezeit entfallenden Kapitalbetrages der Lebensversicherung des Antragsgegners Nr. ########## bei der Fa. M AG nebst Zinsen wird zurückgewiesen.
Im übrigen verbleibt es bei dem angefochtenen Beschluss.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
1.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat die Antragstellerin keinen Anspruch aus § 22 S. 1 VersAusglG auf Teilhabe an der Lebensversicherung des Antragsgegners, nachdem dieser sein dort bestehendes Kapitalwahlrecht ausgeübt hat.
Grundvoraussetzung für die Durchführung des Versorgungsausgleichs wäre nämlich gewesen, dass das Anrecht in den Kreis der gemäß § 2 VersAusglG ausgleichsfähigen Rechte gefallen wäre. Das ist nach Abs. 2 Nr. 3) der Vorschrift aber nur bei Anrechten der Fall, die auf eine Rente - also nicht auf eine Kapitalauszahlung - gerichtet sind; eine Ausnahme sieht die Vorschrift ausdrücklich nur für zwei bestimmte Arten von Anrechten, nämlich solchen nach dem Betriebsrentengesetz und nach dem Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetz, vor. Der hier vorliegende private Lebensversicherungsvertrag fällt darunter nicht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Lebensversicherungsvertrag ursprünglich auf Zahlung einer Rente gerichtet war und daneben lediglich ein fakultatives Wahlrecht auf eine Kapitalauszahlung bestand, und dass dieses Wahlrecht erst nach dem Ende der Ehezeit ausgeübt worden ist. Dass ein Anrecht auf diese Weise dem Versorgungsausgleich, solange nicht rechtskräftig über ihn entschieden ist, entzogen werden kann, entspricht der zutreffenden Rechtsprechung des BGH (vgl. FamRZ 2012, 1039, [...]Rn. 11 f.; FamRZ 2011, 1931, [...]Rn. 13 ff.); eine unbillige Benachteiligung des (ursprünglich) Ausgleichsberechtigten liegt darin nicht, weil das Anrecht durch die Kapitalwahl rückwirkend in das zugewinnausgleichspflichtige Endvermögen seines Inhabers fällt (vgl. BGH a. a. O.).
Ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung führt die Vorschrift des § 22 S. 1 Vers-AusglG. Denn diese Vorschrift hat (entgegen der Kommentierung bei Münchener Kommentar/Glockner, BGB, 5. Aufl., Rn. 2 zu § 22 VersAusglG), auch wenn es in ihr nicht noch einmal ausdrücklich erwähnt ist, zur Voraussetzung, dass das Anrecht grundsätzlich, also gemäß § 2 VersAusglG, ausgleichsfähig ist. Das ergibt sich bereits aus dem systematischen Aufbau des Versorgungsausgleichsgesetzes, nach dem sich § 2 in dem mit "Allgemeiner Teil" überschriebenen Kapitel 1 befindet; ein solcher Abschnitt am Anfang eines Gesetzes beinhaltet stets diejenigen Vorschriften, die allgemeine Geltung für sämtliche in den weiteren Gesetzesabschnitten befindlichen besonderen Regelungskomplexe beanspruchen. Durch dieses Verständnis läuft die Vorschrift nicht etwa leer, weil bestimmte Anrechte mit Kapitalauszahlungsmöglichkeit - eben die o. g. Ausnahmen des Abs. 2 Nr. 3 - ja unter § 2 VersAusglG fallen. Letzteres war auch nach der Gesetzesbegründung gerade das Motiv für die Schaffung des § 22 VersAusglG (vgl. BT-Drs. 16/10144, S. 65; vgl. ferner Palandt/ Brudermüller, BGB, 71. Aufl., Rn. 1 zu § 22 VersAusglG [Verweis auf § 2 Abs. 2 Nr. 3]; Gerhardt/Gutdeutsch/Wagner, Familienrecht, 8. Aufl., Kap. 7 Rn. 296 [dto.]). Der BGH hat in seiner bereits zitierten Entscheidung FamRZ 2012, 1039 ebenfalls gebilligt, dass die Vorinstanz die Anwendung des § 22 S. 1 VersAusglG auf eine Lebensversicherung mit Kapitalwahlrecht ausdrücklich abgelehnt hatte (a. a. O. [...]Rn. 8).
Schließlich beinhaltete auch der Ausspruch in der ursprünglichen Versorgungsausgleichsentscheidung vom 7.3.2007, dass "im übrigen" - und damit u. a. für das fragliche, in den Entscheidungsgründen behandelte Anrecht - der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten bleibe, noch keine abschließende Entscheidung über den Ausgleich des Anrechts mit der Folge, dass eine spätere Ausübung des Kapitalwahlrechts die Versorgungsausgleichsfähigkeit nicht mehr hätte beeinflussen können. Mit dem Begriff des Vorbehalts wird nämlich nach allgemeinem Verständnis lediglich das Offenhalten einer künftigen Entscheidung bezeichnet, ohne diese indes, auch nicht teilweise oder auch nur "dem Grunde nach", bereits vorwegzunehmen.
2.
Den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich bezüglich der Anrechte bei der Hoechst-Gruppe hat das Amtsgericht hingegen zu Recht angeordnet. Einwände gegen die richtige Durchführung als solche gemäß §§ 20, 21 VersAusglG hat der Antragsgegner selbst nicht erhoben und sind au...