Normenkette
GKG § 19 Abs. 3
Gründe
I. Die Klägerin nahm die Beklagte auf Zahlung von 61.457,41 DM nebst Zinsen in Anspruch. Die Beklagte bestritt im Rahmen der Klageerwiderung ihrer Passivlegitimation und erklärte i.ü. wegen einer die Klageforderung übersteigenden angeblichen Gegenforderung hilfsweise die Aufrechnung. Vor der mündlichen Verhandlung stellte die Beklagte die Klageforderung unstreitig und erklärte weiterhin die Aufrechnung mit der die Klageforderung übersteigenden – streitigen – Gegenforderung.
Nach Klagestattgebendem Urteil hat das LG den Streitwert in Höhe der Klageforderung festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, dass kein Fall des § 19 Abs. 3 GKH vorliege. Hiergegen wendet sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit dem vorliegenden Rechtsmittel, mit dem er eine Verdoppelung des Streitwertes erstrebt.
II. Die gem. §§ 9 Abs. 2 BRAGO, 25 Abs. 3 GKG zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die landgerichtlichen Streitwertfestsetzung ist nicht zu beanstanden.
Die Frage der streitwertmäßigen Behandlung einer Prozesssituation, in der der Beklagte mit einer streitigen Gegenforderung zunächst hilfsweise, später jedoch primär aufrechnet, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
1. Nach ganz herrschender Meinung besteht insoweit Einigkeit, dass eine Streitwerterhöhung jedenfalls ab dem Zeitpunkt unterbleibt, in dem der Beklagte nur noch die Primäraufrechnung erklärt (OLG Dresden, Beschl. v. 17.8.1998 – 6 W 1072/98, OLGReport Dresden 1998, 423 = MDR 1999, 119; OLG München, Beschl. v. 26.3.1987 JurBüro 1987, 1055; Hartmann KostO, 31. Aufl., § 19 GKG Rz. 44).
2. Umstritten ist hingegen die Frage, ob bis zum Übergang von der Hilfsaufrechnung zur Primäraufrechnung eine Wertaddition nach § 19 Abs. 3 GKG stattzufinden hat.
a) Teilweise wird eine derartige Wertaddition in der Rechtsprechung (OLG Dresden, Beschl. v. 17.8.1998 – 6 W 1072/98, OLGReport Dresden 1998, 423; LG Bayreuth, Beschl. v. 24.2.1992 JurBüro 1992, 761) und in der Literatur (Schneider, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rz. 401; Oestreich/Winter, GKG Stichwort „Aufrechnung”; Zöller/Herget, Zivilprozessordnung, 22. Aufl., § 3 Stichwort „Aufrechnung”; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 3 Rz. 19; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60.Aufl., Anh. § 3 Rz. 18) unter Hinweis auf den Normzweck des § 19 Abs. 3 GKG vertreten, wonach den Gerichten und Rechsanwälten, die sowohl mit der Überprüfung der Klage als auch der Aufrechnungsforderung befasst wären, durch die Wertaddition ein finanzielles Äquivalent für die Mehrarbeit zu geben sei.
b) Demgegenüber wird von Teilen der Rechtsprechung (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.8.1998 – 3 W 42/98, OLGReport Karlsruhe 1998, 444 = MDR 1998, 1249 = NJW-RR 1999, 223) und Teilen der Literatur (Anders/Gehle, Streitwertlexikon, 3. Aufl., Stichwort „Aufrechnung” Rz. 5; Markl/Meyer, Gerichtskostengesetz, 4. Aufl., § 19 Rz. 30; Schwerdtfeger in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 5 Rz. 9) die Ansicht vertreten, eine auch teilweise Wertaddition dürfe nicht stattfinden, da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Abs. 3 GKG nicht vorlägen.
c) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs. 3 GKG findet eine Streitwerterhöhung nur dann statt, wenn der bestrittenden Klageforderung eine hilfsweise Aufrechnungserklärung entgegengestellt wird, über die eine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergeht. Tatbestandsmerkmal des § 19 Abs. 3 GKG ist nämlich der Umstand, dass die Gegenforderung im Zeitpunkt der „Entscheidung” noch hilfsweise zur Aufrechnung gestellt wird (Anders/Gehle, Streitwertlexikon, 3. Aufl., Stichwort „Aufrechnung” Rz. 5; Schneider, Die neue Rechtsprechung zum Streitwert (I) MDR 1989, 300 [302], mithin die „hilfsweise” Aufrechnungserklärung im Zeitpunkt der Entscheidung und nicht die „Mehrarbeit” der Anwälte bzw. des Gerichts (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.7.1998, NJW-RR 1999, 223).
Wenngleich der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 19 Abs. 3 GKG die Mehrarbeit von Gerichten und Anwälten honorieren wollte, ist dieser Umstand kein taugliches Kriterium, um den Anwendungsbereich des § 19 Abs. 3 GKG zu erweitern. Im Rahmen des § 19 Abs. 3 GKG sind nämlich zahlreiche Konstellationen vorstellbar, bei denen anerkanntermaßen aufgrund der engen tatbestandsmäßigen Fassung der Vorschrift keine Vergütung der bereits angefallenen Mehrarbeit eintritt. Soweit beispielsweise in vorbereitenden Schriftsätzen der Sachverhalt und etwaigen rechtlichen Erörterungen zur Klageforderung und der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung ausgeschrieben, vom Gericht ggf. vorbereitend Zeugen zu etwaigen Tatsachenfeststellungen bzgl. der Klage- und der Gegenforderung geladen werden und sich nach der Beweisaufnahme zur Klage eine Unbegründetheit derselben ergibt, ist die Mehrarbeit für die Anwälte hinsichtlich der Gegenforderung in vollem Umfang, beim Gericht mit Ausnahme der Abfassung des die Gegenforderung betreffenden Teils des Urteils, angefallen, ohne dass ein Leistun...