Leitsatz (amtlich)
Hat der gegenüber einem minderjährigen Kind barunterhaltspflichtige Elternteil unmittelbar im Anschluss an das Bachelorstudium ein Masterstudium aufgenommen, kann er sich trotz seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB gegenüber dem minderjährigen Kind zumindest dann auf seine tatsächliche Leistungsunfähigkeit berufen, wenn er vor dem Studium keine Ausbildung absolviert hat und das Kind während des Bachelorstudiums geboren wurde.
Bei einem unmittelbar im Anschluss an das Bachelorstudium aufgenommenen Masterstudium handelt es sich nicht um eine Zweitausbildung, sondern um eine - mehrstufige - einheitliche Berufsausbildung. Dieser Grundsatz gilt nicht nur im Rahmen des Ausbildungsunterhalts nach § 1610 Abs. 2 BGB, sondern auch zu Gunsten des Unterhaltsschuldners. Einer solchen Berufsausbildung kann dann gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht aus § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB der Vorrang einzuräumen sein.
Normenkette
BGB § 1603
Verfahrensgang
AG Dortmund (Aktenzeichen 111 F 3688/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dortmund vom 11.03.2016 abgeändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, für den Zeitraum von August 2015 bis einschließlich September 2015 an die Antragstellerin Kindesunterhalt für das Kind S O H in Höhe von monatlich 92 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt die Antragstellerin.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt in Verfahrensstandschaft Kindesunterhalt vom Antragsgegner für das gemeinsame Kind S O, geboren am ........2013.
Im September 2014 trennten sich die Beteiligten. Während des laufenden Beschwerdeverfahrens wurde ihre Ehe rechtskräftig geschieden.
Unmittelbar nach Erlangung der allgemeinen Hochschulreife hatte der im Dezember 1988 geborene Antragsgegner im September 2010 einen Ingenieursstudiengang aufgenommen, welchen er Ende Februar 2015 mit dem Bachelor-Abschluss abschloss. Wenige Tage später, am 01.03.2015, nahm er ein Masterstudium auf. Mit Schreiben im April 2015 wurde er zur Zahlung von Kindesunterhalt aufgefordert.
Mit ihrem Antrag hat die Antragstellerin, ausgehend vom - zum Zeitpunkt der Antragserhebung geltenden - Mindestunterhalt in Höhe von 225 EUR und unter Berücksichtigung der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 92 EUR monatlich ab April 2015 geltend gemacht. Wegen ihres Antrags in erster Instanz wird auf Bl. 2 d.A. Bezug genommen.
Sie hat geltend gemacht, dass sich der Antragsgegner nicht auf mangelnde Leistungsfähigkeit wegen seines Masterstudiums berufen könne. Angesichts seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB sei er verpflichtet, sich mit seinem Bachelorabschluss auf eine Arbeitsstelle zu bewerben.
Der Antragsgegner hat die Zurückweisung des Antrags beantragt.
Er hat sich darauf berufen, dass es für ihn unzumutbar sei, sein Masterstudium zu Gunsten des Kindesunterhalts aufzugeben und sich mit seinem Bachelorabschluss auf eine Arbeitsstelle zu bewerben. Nach Abschluss des Masterstudiums verfüge er über ungleich bessere Verdienstmöglichkeiten.
Während des Beschwerdeverfahrens hat sich herausgestellt, dass der Antragsgegner während seines Studiums in den Monaten August und September 2015 vorübergehend erwerbstätig war und hierdurch insgesamt 5 847 EUR brutto verdient hat.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht dem Antrag der Antragstellerin stattgegeben und den Antragsgegner zur Zahlung von Kindesunterhalt i.H.v. monatlich 92 EUR für den Zeitraum ab April 2015 nebst Zinsen verpflichtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich der Antragsgegner nicht darauf berufen könne, wegen des Studiums leistungsunfähig zu sein. Angesichts seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB seien ihm fiktive Erwerbseinkünfte zuzurechnen. Er sei verpflichtet, seine sich aus seinem Bachelorabschluss ergebenden Erwerbsmöglichkeiten wahrzunehmen. Dieser Abschluss stelle eine abgeschlossene Berufsausbildung dar und biete dem Antragsgegner eine "ausreichende" Lebensgrundlage. Weitergehende Karrierepläne hätten gegenüber seiner Verpflichtung zur Zahlung des Kindesunterhalts zurückzustehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss, (Bl. 39 ff d.A.), Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich der Antragsgegner mit seiner form - und fristgerecht eingelegten Beschwerde, der hiermit, wie bereits in erster Instanz, die Abweisung des Antrags begehrt. Zur Begründung macht er geltend, dass die Aufnahme des Masterstudiums aus unterhaltsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden sei. Nur dieser Studienabschluss würde seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechen. Abgesehen davon, dass er mit diesen Abschluss ein ungleich höheres Einkommen erzielen könne, beabsichtige er, in der Forschung, gegebenenfalls auch an einer Universität tätig zu werden. Hierfür sei ein Masterabschluss erforderlich. Ein bloßer Bachelorabschluss gelte...