Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten. Nebenklage. Jugendlicher. Heranwachsender. Absehen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Entscheidung, dem zur Tatzeit Heranwachsenden Verurteilten gemäß § 74 i. V. m. § 109 Abs. 2 JGG die Kosten der Nebenklage aufzuerlegen, ist eine Ermessensentscheidung, die von dem Beschwerdegericht lediglich auf Ermessensfehler überprüfbar ist.

2. Maßstab der Ermessensentscheidung ist einerseits eine wirtschaftliche Gefährdung des Verurteilten zu vermeiden, andererseits ihm durch die Auferlegung von Kosten zu zeigen, dass er für die Folgen seines Tuns unter Berücksichtigung des Erziehungsgedankens einzustehen hat. Dabei kommt bei einem Heranwachsenden die Auferlegung von Kosten und Auslagen eher in Betracht als bei einem Jugendlichen. Weiter kann auch die Verwerflichkeit des Verhaltens gegenüber dem Nebenkläger wie auch die Frage, ob die Nebenklage gerechtfertigt erscheint, berücksichtigt werden. Auch die Gesamtbelastung, die die Kosten- und Auslagenentscheidung bewirkt ist abwägungsrelevant.

 

Normenkette

JGG §§ 74, 109; StPO § 464

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Entscheidung vom 27.01.2017; Aktenzeichen 5 KLs 24/16)

 

Tenor

Die Kosten- und Auslagenentscheidung im Urteil der 5. großen Strafkammer- Jugendkammer - des Landgerichts Paderborn vom 27.01.2017 wird aufgehoben, soweit darin davon abgesehen wurde, den Verurteilten die Auslagen des Nebenklägers aufzuerlegen.

Insoweit wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an das Landgericht Paderborn zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Landgericht Paderborn hat mit Urteil vom 27.01.2017 die Angeklagten C, O und K wegen gemeinschaftlichen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit einer gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung sowie der Verabredung zum Verbrechen des besonders schweren Raubes sowie die Angeklagten F und M der Beihilfe zum gemeinschaftlichen besonders schweren Raub in Tateinheit mit Beihilfe zur gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und die Angeklagten jeweils zu Jugendstrafen verurteilt. Es hat bei der Entscheidung gem. §§ 74, 109 Abs. 2 Satz 1 JGG davon abgesehen, den Angeklagten die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Nebenklägers aufzuerlegen. Hiergegen wendet sich der Nebenkläger mit seiner am 31.01.2017 bei dem Landgericht Paderborn eingegangenen sofortigen Beschwerde vom selben Tage.

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 31.08.2017 die Revision der Angeklagten C, O und K gegen das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 27.01.2017 als unbegründet verworfen und den dortigen Beschwerdeführern C und K die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen auferlegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat im vorliegenden Verfahren beantragt, die sofortige Beschwerde des Nebenklägers als unbegründet zu verwerfen. Der Verurteilte C hat die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde des Nebenklägers ist statthaft (OLG Hamm, Beschl. v. 19.07.2004 - 2 Ws 143/04 - juris m.w.N.; OLG Köln, Beschl. v. 23.05.2007 - III - 2 Ws 249/17 - juris) und auch im Übrigen zulässig. Der Senat ist als Beschwerdegericht gem. § 464 Abs. 3 StPO zur Entscheidung berufen, da von mehreren Beschwerdeführern der Nebenkläger allein die sofortige Beschwerde, die Angeklagten hingegen Revision eingelegt haben (vgl. OLG Köln a.a.O.; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 464 Rdn. 25).

Der Senat legt das Rechtsmittel des Nebenklägers dahin aus, dass es sich gegen die Nichtauferlegung der Auslagen des Nebenklägers wendet, nicht hingegen gegen die Nichtauferlegung von sonstigen Verfahrenskosten. Das ergibt sich aus der Beschwerdebegründung, die sich ausschließlich auf die Auslagen des Nebenklägers bezieht. Andererseits ist das Rechtsmittel nicht auf die Entscheidung hinsichtlich der namentlich benannten Verurteilten C, F und K beschränkt ("insbesondere").

2.

Das Rechtsmittel des Nebenklägers ist auch begründet.

Die Entscheidung, dem zur Tatzeit heranwachsenden Verurteilten gemäß § 74 i. V. m. § 109 Abs. 2 JGG die Kosten der Nebenklage aufzuerlegen, ist eine Ermessensentscheidung, die von dem Beschwerdegericht lediglich auf Ermessensfehler überprüfbar ist. Maßstab der Ermessensentscheidung ist es, einerseits eine wirtschaftliche Gefährdung des Verurteilten zu vermeiden, andererseits, ihm durch die Auferlegung von Kosten zu zeigen, dass er für die Folgen seines Tuns unter Berücksichtigung des Erziehungsgedankens einzustehen hat. Dabei kommt bei einem Heranwachsenden die Auferlegung von Kosten und Auslagen eher in Betracht als bei einem Jugendlichen (OLG Hamm, Beschl. v. 07.01.2008 - 2 Ws 384/07 - juris). Weiter kann auch die Verwerflichkeit des Verhaltens gegenüber dem Nebenkläger wie auch die Frage, ob die Nebenklage gerechtfertigt erscheint, berücksichtigt werden (BGH, Urt. v. 20.12.2012 - 3 StR 117/12 - juris). Auch die Gesamtbelastung, die die Kosten- und Auslagenentscheidung bewirkt (etwa im Falle der Kumulation ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge