Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährungsbeginn deliktischer Schadensersatzansprüche bei Strafverfahren gegen Schädiger; Teilleistungen und Vergleich im Gesamtschuldverhältnis

 

Normenkette

BGB §§ 421-423, 852

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Aktenzeichen 6 O 80/01)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte zu 3); außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Der Senat tritt i.E. dem LG darin bei, dass die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

1. Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht gem. § 852 BGB verjährt.

1.1. Es bestehen allerdings Bedenken gegen die im angefochtenen Beschluss geäußerte Auffassung des LG, dass die Verjährung der zivilrechtlichen Schadenersatzansprüche erst mit der Rechtskraft der strafrechtlichen Verurteilung des Beklagten zu 3) wegen Körperverletzung, also am 29.12.1998, zu laufen begonnen habe. Das LG stützt sich zur Begründung seiner Auffassung auf ein Urteil des früheren 32. Zivilsenats des OLG Hamm (32 U 95/93 v. 19.1.1994, NJW-RR 1994, 896 = VersR 1994, 829). Dem vermag sich der beschließende Senat jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht anzuschließen.

Die Verjährung von Schadenersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung beginnt gem. § 852 Abs. 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte von dem Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Entscheidend ist, ob ihm bei seinem Kenntnisstand die Erhebung einer Schadenersatzklage gegen eine bestimmte Person – sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage – zumutbar ist (vgl. BGH VersR 2001, 1255 = DRSp-ROM Nr. 2001/8360; VersR 2001, 108 = NJW 2001, 885 = DRSp-ROM Nr. 2000/9985). Gewissheit ist für eine Kenntnis i.S.d. § 852 Abs. 1 BGB jedoch nicht erforderlich; der Verjährungsbeginn setzt keineswegs voraus, dass der Geschädigte bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand hat, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können (vgl. BGH, NJW 1994, 1150 = VersR 1994, 491 = DRSp-ROM Nr. 1994/1140). Es muss ihm lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit verbleibendem Prozessrisiko insb. hinsichtlich der Nachweisbarkeit einer schadensursächlichen Pflichtverletzung. Durch die dreijährige Verjährungsfrist, welche mit der so beschriebenen Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger beginnt, wird den Erfordernissen des Opferschutzes, auf die das LG hinweist, hinreichend Rechnung getragen.

Im Übrigen erweist sich das Abstellen auf die Rechtskraft der strafrechtlichen Verurteilung als wenig praktikabel in Fällen, in denen kein Strafverfahren stattfindet oder etwa die Strafverfolgung gem. § 154 StPO beschränkt oder – aus welchen Gründen auch immer – der Schädiger freigesprochen wird. Anderseits reicht mitunter die strafrechtliche Verurteilung für den zivilrechtlichen Verjährungsbeginn nicht einmal aus (vgl. BGH NJW-RR 1990, 606 = VersR 1990, 539 = DRSp-ROM 1992/1415); entscheidend bleibt die Kenntnis des Geschädigten von dem Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen (so auch OLG München OLGR 1998, 347).

1.2 Diese Kenntnis hatte der Kläger aber noch nicht am 25.12.1997, als ihn der Beklagte zu 3) und dessen Mittäter zusammengeschlagen und durch Tritte im Gesicht verletzt haben, denn der Beklagte zu 3) war ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Es gibt auch keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass der Kläger bei seiner polizeilichen Zeugenvernehmung am 8.1.1998, als ihm die Namen der von der Polizei festgestellten Personen genannt wurden, genug an Informationen erhalten hat, um daraus i.S.v. § 830 Abs. 2 S. 1 BGB eine Beteiligung des Beklagten zu 3) herleiten zu können. Erst in den nachfolgenden Ermittlungen ist der Beklagte zu 3) von Zeugen als einer derjenigen identifiziert worden, die sich aktiv an den Tätlichkeiten beteiligt und gegen den Kopf des am Boden liegenden Klägers getreten haben.

Dieser zur Anklageerhebung führende Erkenntnisstand war aktenkundig, als die anwaltlichen Vertreter des Klägers – deren Kenntnis ihm entspr. § 166 BGB zuzurechnen ist (vgl. BGH MDR 1990, 532 = VersR 1990, 167 = DRSp-ROM Nr. 1997/3067) – Einsicht in die Ermittlungsakten nahmen, welche sie mit Schr. v. 4.3.1998 an die StA zurückgeschickt haben. Weder aus dem Sachvortrag des insoweit darlegungspflichtigen Beklagten zu 3) noch aus dem sonstigen Akteninhalt ergibt sich etwas dafür, dass der Kläger oder seine anwaltlichen Vertreter zu einem früheren Zeitpunkt die maßgebliche Kenntnis gehabt hätten.

Durch die am Montag, dem 5.3.2001 bei Gericht eingegangene und am 25.4.2001 an den Beklagten zugestellte Klage ist die Verjährung gem. §§ 193, 209 Abs. 1 BGB rechtzeitig vor ihrem Ablauf unterbrochen worden. Denn die Zustellung ist i.S.v. § 270 Abs. 3 ZPO „demnächst” erfolgt. Die höchstrichterliche Rspr. geht nicht davon aus, dass nach Überschreiten einer absoluten zeitlichen Grenze eine Zustellung nicht mehr...

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