Leitsatz (amtlich)
Das Beschleunigungsgebot erfordert es, dass ein Mitglied des erkennenden Gerichts, das zugleich auch Beisitzer in einer Strafvollstreckungskammer ist, dort anstehende Anhörungstermine aufhebt bzw. verlegt, um eine laufende Hauptverhandlung fortzuführen.
Verfahrensgang
LG Bochum (Entscheidung vom 30.11.2006) |
Tenor
Der Haftbefehl des Landgerichts Bochum vom 06. März 2006 (21 KLs 10 Js 407/05 I 8/06) wird aufgehoben.
Die Landeskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe
I.
Das Landgericht Bochum hat in dieser Sache gegen den Angeklagten durch Haftbefehl vom 06. März 2006 (AZ: 21 KLs 10 Js 407/05 I 8/06) die Untersuchungshaft angeordnet, die auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO gestützt worden ist. Die Staatsanwaltschaft Bochum hatte zuvor unter dem 21. Februar 2006 gegen den Beschwerdeführer wegen schwerer räuberischer Erpressung Anklage erhoben, die die zuständige Strafkammer durch Eröffnungsbeschluss vom 30. November 2006 zur Hauptverhandlung zugelassen hat. In diesem Beschluss ist zudem die "Fortdauer der Untersuchungshaft" angeordnet worden. Eine weitere Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Haftanordnung ist seitdem - mit Ausnahme der jetzigen Nichtabhilfeentscheidung vom 20. März 2007 - nicht ergangen.
Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, in den Abendstunden des 08. November 2001 die Spielhalle "S." in Recklinghausen überfallen und die Spielhallenaufsicht unter Vorhalt eines Messers mit einer 20 cm langen Klinge zur Herausgabe des Wechselgeldes und des in einem Tresor befindlichen Bargeldes gezwungen sowie unter Ausnutzung der Zwangslage des Opfers aus einer Ledertasche weitere 1.000,00 DM entnommen zu haben. Die Tatbeute soll etwa 2.000,00 DM betragen haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl und die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bochum Bezug genommen.
Der vielfach vorbestrafte Angeklagte befindet sich seit dem 03. März 2005 für andere Strafverfahren ununterbrochen in Untersuchungs- oder Strafhaft. So hat ihn das Amtsgericht Hameln durch - sogleich rechtskräftiges - Urteil vom 29. März 2004 (AZ: 10 Ds 2011 Js 89565/03 (32/04)) wegen Diebstahls und Computerbetruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die Bewährung wurde zwischenzeitlich widerrufen. Durch - ebenfalls sogleich rechtskräftiges - Urteil vom 30. Mai 2005 (AZ: 10 Ls 1543 Js 90910/04 (1/05)) hat es ihn u. a. wegen Diebstahls und vorsätzlicher Körperverletzung mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren belegt, die der Angeklagte unter Anrechnung von Untersuchungshaft seit dem 03. März 2005 verbüßt. Das Ende der Strafzeiten ist auf den 01. Februar 2008 notiert. Für das vorliegende Verfahren ist aufgrund des Haftbefehls Überhaft notiert, die ab dem 02. Februar 2008 zu vollziehen wäre.
Mit Verfügung vom 30. November 2006 hat der Vorsitzende der zuständigen Strafkammer Termin zur Hauptverhandlung mit zunächst einem Fortsetzungstermin anberaumt. Mit Beschluss vom 14. Februar 2007 hat das Landgericht am vierten Hauptverhandlungstag das Verfahren ausgesetzt, weil der Angeklagte versehentlich nicht aus der Justizvollzugsanstalt Sehnde (bei Hannover) vorgeführt worden war und innerhalb der gesetzlichen Frist eine Fortsetzung der Hauptverhandlung wegen anderweitiger dienstlicher Verhinderung der Beisitzerin nicht möglich gewesen sein soll. Daraufhin ist die Hauptverhandlung ausgesetzt worden, wobei ein neuer Termin von Amts wegen bestimmt werden sollte.
Der Angeklagte hat gegen den bestehenden Haftbefehl mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 15. März 2007 unter näherer Begründung Beschwerde eingelegt, der das Landgericht durch Beschluss vom 20. März 2007 nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.
II.
Die Haftbeschwerde ist gemäß § 310 Abs. 1 StPO zulässig und hat im Ergebnis auch in der Sache Erfolg.
1.
Zwar ist weiterhin von einem dringenden Tatverdacht auszugehen, zumal die Beurteilung des - von dem Angeklagten bzw. seinem Verteidiger angezweifelten - dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren ohnehin nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht unterliegt. Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Kenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme (vgl. BGH StV 2004, 142 m.w.N.; StV 1991, 525). Zwar ist die Hauptverhandlung zur Zeit ausgesetzt, die Strafkammer hat aber in ihrem Nichtabhilfebeschluss vom 20. März 2007, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug ge...