Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrsordnungswidrigkeit. Geschwindigkeitsüberschreitung. Regelgeldbuße. Bußgeldkatalog-Verordnung. Bundeseinheitlicher Tatbestandskatalog. Lkw
Leitsatz (amtlich)
1. Der bundeseinheitliche Tatbestandskatalog für Verkehrsordnungswidrigkeiten stellt als schlichte Verwaltungsvorschrift des Kraftfahrt-Bundesamtes keine eigenständige Rechtsgrundlage für die Höhe einer festzusetzenden Geldbuße dar. Die Tatbestandsziffern des bundeseinheitlichen Tatbestandskatalogs und deren inhaltliche Auslegung können dementsprechend nicht allein zur Begründung der Höhe eines festgesetzten Bußgeldes herangezogen werden.
2. Die Regelhöhe der jeweiligen Bußgelder richtet sich - soweit dort ausdrückliche Bestimmungen getroffen sind - allein nach der als dem Tatbestandskatalog "übergeordnet" anzusehenden Bußgeldkatalog-Verordnung.
Normenkette
BKatV; Bundeseinheitlicher Tatbestandskatalog; StVO § 49; StVG § 24
Verfahrensgang
AG Castrop-Rauxel (Aktenzeichen 6 OWi 159/15) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
Die Sache wird auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 30,00 € festgesetzt wird (§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, § 49 StVO; § 24 StVG; 11.3.3 BKatV).
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz und die dem Betroffenen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene, jedoch wird die gerichtliche Gebühr um die Hälfte ermäßigt. Die Landeskasse trägt die Hälfte der dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Castrop-Rauxel hat den Betroffenen mit der angefochtenen Entscheidung wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (außerhalb geschlossener Ortschaften) verurteilt und unter Anwendung der nach Auffassung des Amtsgerichts einschlägigen Tatbestandsnummer 141677 des bundeseinheitlichen Tatbestandskatalogs eine Geldbuße i.H.v. 70,00 € festgesetzt, bei deren Bestand zulasten des Betroffenen auch ein Punkt in das Fahreignungsregister einzutragen wäre.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene mit einem Fahrzeug N eine außerörtliche Straße in D und überschritt hierbei die zulässige Höchstgeschwindigkeit um einen vorwerfbaren Wert von 16 km/h. Bei dem Fahrzeug handelt es sich nach den Feststellungen des Amtsgerichts um einen offenen, in der Zulassungsbescheinigung als "Lastkraftwagen" ausgewiesenen Pritschenwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse von bis zu 3,5 t, der neben einer Fondkabine für weitere Mitfahrer über eine große mit Verzurrösen versehene Ladefläche mit einer Breite von etwa 2 m verfügt, welche von einer ca. 40 cm hohen Bordwand eingerahmt ist, so dass auch große Gegenstände sowie auch Europaletten transportiert werden können.
Das Amtsgericht hat im Rahmen der Festsetzung der Geldbuße die Auffassung vertreten, dass die Tatbestandsnummer 141677 des bundeseinheitlichen Tatbestandskatalogs anwendbar sei, welche wie folgt formuliert ist: "Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um ... (von 16 - 20) km/h. Zulässige Geschwindigkeit: *)... km/h. Festgestellte Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug): **)... km/h. § 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, § 49 StVO; § 24 StVG; 11.1.4 BKat (Lkw usw.)"
Das von dem Betroffenen geführte Fahrzeug sei als "Lkw" im Sinne der vorgenannten Tatbestandsnummer anzusehen, da es für die rechtliche Einordnung des Fahrzeugs als Lastkraftwagen gemäß § 4 Abs. 4 Nr. 3 PBefG (Personenbeförderungsgesetz) nicht auf dessen zulässiges Gesamtgewicht ankomme, sondern allein darauf abzustellen sei, dass das Fahrzeug nach Bauart und Einrichtung zu Beförderung von Gütern bestimmt sei. Dies sei vorliegend der Fall.
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seinem (allerdings gleichzeitig auf einen Freispruch gerichteten) Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit welchem er - wie bereits im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und dem Amtsgericht - geltend macht, dass das vom Betroffenen geführte Fahrzeug angesichts des zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t unabhängig von einer etwaigen Einordnung als "Lkw" nicht der Tatbestandsnummer 141677 zuzuordnen sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Zulassungsantrag als unbegründet zu verwerfen, da ein Zulassungsgrund nicht bestehe. Die maßgeblichen Kriterien, nach denen das vom Betroffenen geführte Fahrzeug als Pkw oder als Lastkraftwagen einzuordnen sei, seien in der obergerichtlichen Rechtsprechung - so auch bereits durch Entscheidungen des Senats - hinreichend geklärt.
II.
Durch Entscheidung des Senatsvorsitzenden als Einzelrichter wird die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zugelassen und die Sache nach § 80a Abs. 3 OWiG auf den Bußgeldsenat in der...