Leitsatz (amtlich)
1. Der mit der Feststellung zu Fragen des Entzugs der elterlichen Sorge beauftragte Sachverständige, der nach Abschluss seiner Untersuchungen das Vorliegen einer akuten Kindeswohlgefährdung feststellt, welches einen Aufschub von Maßnahmen zum Schutz des Kindes bis zur schriftlichen Abfassung seines Gutachtens nicht gestattet, setzt sich nicht alleine dadurch dem Vorwurf der fehlenden Unvoreingenommenheit aus, dass er die zuständigen Behörden bereits vor Einreichung seines schriftlichen Gutachtens von der bestehenden Gefahrenlage in Kenntnis setzt, mit dem Ziel, das Maßnahmen zum Schutz des Kindes getroffen werden können.
2. Der Vorwurf der fehlenden Unvoreingenommenheit kann sich in einem solchen Fall aber daraus ergeben, dass der Sachverständige die von den zu treffenden Maßnahmen betroffenen Beteiligten an dem Verfahren nicht zeitnah von seinem Vorgehen in Kenntnis setzt und dadurch verhindert, dass sie sich gegen die aufgrund der Mitteilung des Sachverständigen zu treffenden Maßnahmen angemessen zur Wehr setzen können.
Normenkette
FamFG § 30 I, § 42 Abs. 1; ZPO § 406 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Bochum (Beschluss vom 29.11.2011; Aktenzeichen 60 F 50/11) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Eltern des betroffenen Kindes gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bochum vom 29.11.2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für die Beschwerde beträgt 2.000 EUR.
Gründe
I. Mit der sofortigen Beschwerde wenden sich die beteiligten Eltern gegen die Ablehnung ihres Befangenheitsgesuchs gegen die Sachverständige Dipl.-Psych. N I die vom Gericht mit der Erstellung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur Frage der Entziehung der elterlichen Sorge für das gemeinsame Kind der Eltern beauftragt worden ist.
Das betroffene minderjährige Kind N1 L G (geb. am 25.5.2010) befindet sich aufgrund einer einstweiligen Anordnung in einem Vorverfahren seit längerer Zeit in einer Pflegefamilie. Mit Schriftsatz vom 15.3.2011 haben die Eltern des Kindes angeregt, die elterliche Sorge unter Aufhebung der einstweiligen Anordnung vom 3.3.2011 hinsichtlich des Rechts auf Aufenthaltsbestimmung und der Gesundheitsfürsorge im Hauptsacheverfahren auf sie zurück zu übertragen. Das zuständige Jugendamt der Stadt C hat angeregt, den beteiligten Eltern die elterliche Sorge gem. den §§ 1666, 1666a BGB zu entziehen. Die vom Gericht bestellte Sachverständige, die zunächst die Fertigstellung des schriftlichen Gutachtens für Ende Juni 2011 angekündigt hatte, teilte nach Abschluss ihrer Untersuchungen unter dem 13.10.2011 schriftlich zu den Gerichtsakten mit, dass das schriftliche Gutachten voraussichtlich erst Ende Oktober 2011 zu den Akten gereicht werden könne. Gleichzeitig wies sie in ihrem Anschreiben an das Gericht darauf hin, dass sie gegenüber dem zuständigen Jugendamt die dringende Empfehlung ausgesprochen habe, zum Schutz des betroffenen Kindes die aktuelle Besuchsregelung zu verändern und die Umgangskontakte auf einen 14-Tage-Rhythmus zu legen und außerdem zu begleiten; dies sei erforderlich aufgrund der Belastungsreaktionen des Kindes (Ess-, Verdauungs- und Schlafstörungen, sowie Autoaggression), die im Zusammenhang mit dem Verhalten der Eltern stünden. Das fertiggestellte Gutachten vom 14.11.2011 wurde am 16.11.2011 zu den Akten gereicht.
Auf dieses Verhalten der Sachverständigen stützen die Eltern ihren Ablehnungsantrag. Sie sind der Ansicht, die Gutachterin habe durch die Mitteilung an das Jugendamt ihr Gutachtenergebnis in unzulässiger Weise vorweggenommen. Sie habe durch die einseitige Kontaktaufnahme mit dem Jugendamt als "Gegner" in diesem Verfahren den Eindruck erweckt, in dessen "Lager" zu stehen. Dieser Eindruck sei dadurch verstärkt worden, dass sie ihr Vorgehen den Eltern gegenüber nicht transparent gemacht habe, sie insbesondere nicht rechtzeitig von den Umständen, die zur Beschneidung ihres Umgangsrechts geführt haben, in Kenntnis gesetzt habe.
Das Familiengericht hat das Ablehnungsgesuch der beteiligten Eltern zurückgewiesen mit der Begründung, das Verhalten der Sachverständigen sei nicht geeignet, die Besorgnis der Unvoreingenommenheit zu erwecken, zumal die sachverständige Untersuchung zum Zeitpunkt der Mitteilung an das Jugendamt bereits abgeschlossen gewesen sei und die Sachverständige im Fall der Kenntniserlangung von Umständen, die zu einer Gefährdung des Kindeswohls führen zur Mitteilung an das Jugendamt verpflichtet sei. Die notwendige Transparenz ihres Vorgehens ergäbe sich daraus, dass sie ihr Vorgehen dem Gericht gegenüber offengelegt habe.
II. Die gem. den §§ 30 I FamFG, 406 V, 567 I, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der betroffenen Eltern hat keinen Erfolg, denn der Antrag der beteiligten Eltern auf Ablehnung der Sachverständigen N I wegen Besorgnis der Befangenheit ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit liegen nicht vor.
1. Gemäß den §§ 30 I FamFG, 406 I ZPO kann ein Sachverständiger aus den gleichen G...