Entscheidungsstichwort (Thema)
mündliche Verhandlung in Wohnungseigentumssachen. Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
1.
In Wohnungseigentumssachen muß im Beschwerdeverfahren grundsätzlich vor der vollbesetzten Kammer mündlich verhandelt werden. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Beschwerdeführer sein zulässiges Rechtsmittel in angemessener Zeit nicht begründet.
2.
Zu den berechtigten Ausnahmen vom Grundsatz der mündlichen Verhandlung.
Normenkette
WEG § 44 Abs. 1
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird mit Ausnahme der Wertfestsetzung aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung – auch über die Verteilung der Gerichtskosten sowie der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde – an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Gegenstandes des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 9.071,60 DM festgesetzt.
Gründe
I.
In dem vorliegenden Beschlußanfechtungsverfahren gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG hat das Amtsgericht durch Beschluß vom 22. Juli 1997 auf den am 14. März 1997 eingegangenen Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1) vom selben Tage den Beschluß der Eigentümergemeinschaft vom 15. Februar 1997 über die Genehmigung des Haushaltsplanes für das Jahr 1997 für unwirksam erklärt. Diese Entscheidung ist dem Verwalter der Wohnungseigentumsanlage am 01. August 1997 zugestellt worden. Der hierzu besonders bevollmächtigte Verwalter hat gegen den Beschluß unter dem 11. August 1997 beim Amtsgericht fristwahrend sofortige Beschwerde für die Beteiligten zu 2) eingelegt. Das vorab übersandte Telefax trägt keinen Eingangsstempel; die Urschrift der Beschwerdeschrift ist am 15. August 1997 beim Amtsgericht Brilon eingegangen. Das Amtsgericht hat die Akten mit Vorlageverfügung vom 06. Oktober 1997 dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der Berichterstatter der Kammer hat die Beteiligten zu 2) unter dem 14. Oktober 1997 um Mitteilung bis zum 10. November 1997 gebeten, ob die Beschwerde begründet und das Beschwerdeverfahren durchgeführt werde. In dem Schreiben hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, nach seiner Ansicht entspreche der angefochtene Beschluß der Sach- und Rechtslage. Mit Schreiben vom 06. November 1997 hat der Verwalter für die Beteiligten zu 2) mitgeteilt, das Beschwerdeverfahren solle durchgeführt werden und eine Begründung werde kurzfristig nachgereicht.
Durch Beschluß vom 26. November 1997 hat das Landgericht, ohne zuvor eine mündliche Verhandlung durchzuführen, die sofortige Beschwerde „aus den umfassenden und zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses” zurückgewiesen. Der Verzicht auf die mündliche Verhandlung wird damit begründet, der Versuch einer gütlichen Einigung erscheine von vornherein aussichtslos.
Die angeordnete Zustellung einer Beschlußausfertigung an den Verwalter ist offenbar nicht ausgeführt worden; eine Zustellungsurkunde befindet sich nicht bei der Akte.
Mit beim Landgericht am 18. Dezember 1997 eingegangenem Telefax ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 19. Dezember 1997 haben die Beteiligten zu 2) gegen den Beschluß sofortige weitere Beschwerde eingelegt, die sie mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 18. Februar 1998 näher begründet haben.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist nach § 45 Abs. 1, § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG, §§ 27, 29 Abs. 2 FGG statthaft sowie fristgerecht eingelegt. Da die angefochtene Entscheidung nach dem Akteninhalt dem Verwalter nicht förmlich zugestellt worden ist, ist die Frist für die Einlegung der weiteren Beschwerde nicht in Lauf gesetzt worden (vgl. § 29 Abs. 4, § 22 Abs. 1 Satz 2, § 16 Abs. 2 Satz 1 FGG i.V.m. § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG).
Das Rechtsmittel ist auch begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG, § 550 ZPO). Die Vorinstanz hätte nicht entscheiden dürfen, ohne zuvor mit den Beteiligten vor der vollbesetzten Zivilkammer in öffentlicher Sitzung mündlich zu verhandeln.
Nach § 44 Abs. 1 WEG soll in Wohnungseigentums Sachen der Richter mit den Beteiligten mündlich verhandeln und dabei darauf hinwirken, daß sie sich gütlich einigen. Die mündliche Verhandlung dient auch der Sachverhaltsaufklärung (vgl. BGH NJW 1989, 714, 715; BayObLGZ 1990, 173, 175; Senat in ständiger Rechtsprechung).
§ 44 Abs. 1 WEG gilt auch für das Beschwerdegericht; die mündliche Verhandlung hat beim Landgericht vor der voll besetzten Zivilkammer stattzufinden. Von der mündlichen Verhandlung kann nur in besonderen, eng umgrenzten Ausnahme fällen abgesehen werden (vgl. BayObLGZ 1990, 173, 175; NJW-RR 1990, 660, 661; 1993, 280, 281; 1997, 15; WE 1992, 207, 208; OLG Düsseldorf NJW-RR 1994, 1169, 1170; OLG Hamburg OLGZ 1991, 47). Wird ein solcher Ausnahmefall angenommen, bedarf dies einer entsprechenden Begründung (vgl. BayObLG NJW-RR 1993, 280, 281; 1997, 15).
Die vom Landgericht angeführte Begründung überzeugt nicht. Eine gütliche Einigung kann in aller Regel nicht von vornherein ausgeschloss...