Entscheidungsstichwort (Thema)
Hindernis. verkehrsfremder Inneneingreiff. Beifahrer als Täter. lebensgefährdende Behandlung. Radfahrer
Leitsatz (amtlich)
1. Täter i.S.v. § 315 b Abs. 1 StGB kann jeder - auch der Beifahrer - sein, der das tatbestandsmäßige Geschehen im Sinne der Nummern 1 bis 3 beherrscht. Dies gilt auch im Fall des sogenannten verkehrsfremden Inneneingriffs.
2. Das plötzliche Öffnen der Beifahrertür eines fahrenden Pkws, um einen neben dem Fahrzeug befindlichen Radfahrer "auffahren" zu lassen bzw. zu einem riskanten Ausweichmanöver zu zwingen, kann eine das Leben gefährdenden Behandlung i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB auch dann darstellen, wenn der Körperverletzungserfolg erst durch das Ausweichmanöver eintritt und es nicht zu einer unmittelbaren Berührung zwischen Fahrzeugtür und Radfahrer kommt.
Normenkette
StGB § 315b Abs. 1 Nr. 2, § 224 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
LG Paderborn (Entscheidung vom 03.03.2016; Aktenzeichen 03 Ns 47 Js 577/15 (81/16)) |
Tenor
- Die Revision des Angeklagten wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist und in die Liste der angewendeten Vorschriften statt der Vorschrift des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB die Vorschrift des § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB aufgenommen wird .
- Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.
Gründe
I.
Das Amtsgericht - Strafrichter - Paderborn hat den Angeklagten mit Urteil vom 03.03.2016 (73 Ds 47 Js 577/15 - 214/15) gemeinsam mit dem früheren Mitangeklagten Y des "gemeinschaftlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung" für schuldig befunden und ihn zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Paderborn mit Urteil vom 04.07.2016 verworfen.
In der Sache hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
" Am 07.07.2015 gegen 22:15 Uhr befuhr der Zeuge T mit seinem Fahrrad die N-straße in Q aus Richtung L kommend. In dem verkehrsberuhigten Bereich (Spielstraße)der Kreuzung N-straße/I-straße überholte erden dort stehenden bzw. gerade wieder anfahrenden Pkw vom Typ N1,amtliches Kennzeichen ## ## ###, welcher von demvormaligen Mitangeklagten Y gesteuert wurdeund in welchem sich der Angeklagte E als Beifahrer befand, mit hoher Geschwindigkeit rechts und bog sodann knapp vor dem N1 nach rechts in die I-straße in RichtungH-straße ein. Der ZeugeY, welcher ebenfalls gerade nach rechts abbiegen wollte,war hierdurch gezwungen, wieder zu bremsen,um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Aufgrund des riskanten Fahrmanövers entschlossen sich nun der Zeuge Y und der Angeklagte,den Zeugen T für dessen Verhalten zur Rede zu stellen. Der Zeuge Y beschleunigte daher den Pkw stark, hupte,überholte den Zeugen Tauf dessen Fahrrad und lenkte den Pkw sodann schräg nach rechts,um diesem den Weg abzuschneiden.Gleichzeitig - noch während des Abdrängens - öffnete der Angeklagte E, den Plan des Zeugen Y unterstützend, ein Stück weit die Beifahrertür. Durch das Querstellen des Fahrzeuges sowie das gleichzeitige Öffnen der Beifahrertür sah der Zeuge T seinen Fahrweg versperrt und sich zu einer Notbremsung und einem Ausweichmanöver gezwungen. Dabei prallte er gegen die Rückseite des am rechten Straßenrand geparkten PKW P der Zeugin T und stürzte vom Fahrrad. Der Zeuge Y hielt den M1 nur kurz an. Nachdem er und der Angeklagte den Sturz des Radfahrers registriert hatten, fuhren sie sodann unter starker Beschleunigung davon, ohne sich bei diesem über sein Wohlergehen zu erkundigen.
Infolge des Aufpralls und dem folgenden Sturz auf die Straße zog sich der Zeuge T -wie von dem Zeugen Y und dem Angeklagten zumindest billigend in Kauf genommen - Prellungen an der Schulter sowie Schürfwunden am Knie und Schienbein zu. (...)
Der Zeuge war aufgrund des Unfalls und der dabei erlittenen Verletzungen insgesamt über einen Monat lang arbeitsunfähig erkrankt.
Am Fahrrad des Zeugen Tentstand zudem Sachschaden i.H.v. 261,24 € netto, am Pkw der Zeugin T ein Schaden i.H.v. 330 € netto."
Ergänzend hat das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung Folgendes ausgeführt:
"Angesichts der Angaben der Zeugen im Hinblick auf die Art und Weise des Vorgehens des Angeklagten und des vormaligen Mitangeklagten Y - nämlich des Abdrängens eines zügig fahrenden Radfahrers unter gleichzeitigem Öffnen der Beifahrertür -, hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte auch mit Verletzungsabsicht handelte, eine Verletzung des Zeugen T jedenfalls billigend in Kauf nahm.Denn für beide musste sich geradezu aufdrängen, dass das jeweilige Verhalten geeignet war, dem Radfahrer ein Hindernis zu bereiten und diesen hierdurch zum Anhalten zu zwingen. (...) Der Angeklagte und sein Mittäter,der ZeugeY,handelten mit dem Ziel, den Radfahrer gemeinschaftlich "vom Rad zu holen" und ihn zur Rede zu stellen. Dabei nahmen sie...