Verfahrensgang
AG Dortmund (Aktenzeichen 737 OWi 542/20) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (Alleinentscheidung der Richterin am Oberlandesgericht A als Einzelrichterin).
Die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden übertragen (Alleinentscheidung der Richterin am Oberlandesgericht A als Einzelrichterin).
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Dortmund zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit Bußgeldbescheid vom 12. Juni 2020 hat der Oberbürgermeister der Stadt B gegen den Betroffenen wegen verbotswidriger Teilnahme an einer Zusammenkunft oder Ansammlung im öffentlichen Raum von mehreren Personen am 28. Mai 2020 nach § 1 Abs. 2 und 3 i.V.m. § 18 Abs. 3 Nr. 1 der in Nordrhein-Westfalen erlassenen Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in der Fassung vom 08. Mai 2020 (im Folgenden: CoronaSchVO) i.V.m. § 73 Abs. 1 Nr. 1a, Nr. 24 i.V.m. §§ 32, 28 Abs. 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionsschutzkrankheiten beim Menschen (im folgenden Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom 20. Juli 2000 in der Fassung vom 27. März 2020 eine Geldbuße i.H.v. 200 € festgesetzt.
Gegen diesen Bescheid hat der Betroffene fristgerecht Einspruch eingelegt.
Das Amtsgericht Dortmund hat den Betroffenen - in Abwesenheit eines Vertreters der Staatsanwaltschaft Dortmund - mit Urteil vom 10. November 2020 aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Zum Sachverhalt hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
"Am 28.05.2020 gegen 23:52 Uhr fuhr der Betroffene gemeinsam mit zwei weiteren Personen, den gesondert verfolgten C und D in einem Personenkraftwagen mit dem amtlichen Kennzeichen #-# 151. Sämtliche Mitfahrer in dem Fahrzeug sind Arbeitskollegen und arbeiten gemeinsam im Amazon Logistikzentrum in B. Nach Beendigung ihrer Arbeitsschicht nahm der Fahrzeugführer C den Betroffenen mit, um ihn zum Hauptbahnhof zu fahren, damit er von dort aus die weitere Heimreise antreten konnte. Der Betroffene und die beiden weiteren Mitfahrer stehen in keiner familiären Beziehung zueinander."
Zur Begründung des Freispruchs hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, es handele sich bei drei Personen nicht um "mehrere Personen" im Sinne von § 1 Abs. 2 CoronaSchVO in der hier anwendbaren ab dem 21. Mai 2020 gültigen Fassung, was sich aus einer Auslegung dieser Vorschrift nach deren Entstehungsgeschichte ergebe. Denn die frühere Regelung der CoronaSchVO vom 22. März 2020 zu Zusammenkünften und Ansammlungen im öffentlichen Raum (§ 12) habe eindeutig bestimmt, dass solche von "mehr als zwei Personen" untersagt gewesen seien. Diese konkrete Anzahl habe der Verordnungsgeber nicht in die ab dem 21. Mai 2020 gültige Fassung der CoronaSchVO übernommen. Die Entstehungsgeschichte spreche daher für die Annahme des Tatbestandsmerkmals "mehrere Personen" ab einer Personenzahl von über drei Personen.
Außerdem könne sich der Betroffene auf den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 CoronaSchVO berufen, wonach "unvermeidliche Ansammlungen bei der bestimmungsgemäßen Verwendung zulässiger Einrichtungen (insbesondere bei der Nutzung von Beförderungsleistungen des Personenverkehrs sowie seiner Einrichtungen)" von dem Ansammlungsverbot ausgenommen seien. Der Verordnungsgeber habe mit dieser Vorschrift den Personenverkehr privilegiert, so dass damit sämtliche Einrichtungen gemeint seien, die der Personenbeförderung dienen. Dazu würden auch private Fahrgemeinschaften zählen. Eine Einschränkung darauf, dass nur der öffentliche Personenverkehr damit gemeint gewesen sein sollte, ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht. Zudem würden auch Sinn und Zweck der Regelung der CoronaSchVO dafür sprechen, dass auch private Fahrgemeinschaften von dieser Ausnahmeregelung umfasst seien.
Schließlich könne sich der Betroffene auch auf die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 3 Nr. 4 CoronaSchVO berufen. Bei der Fahrt in dem Fahrzeug handele es sich für den Betroffenen und seine Mitfahrer um eine zwingende Zusammenkunft, weil ein Arbeitnehmer den Weg zur Arbeit zwingend zurücklegen müsse, um seine Arbeitsleistung am Ort der Arbeitsstätte erbringen zu können.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft Dortmund mit der form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde, deren Zulassung sie zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für geboten erachtet und mit der unter Erhebung der allgemeinen Sachrüge ausgeführt wird, die Fahrt am 28. Mai 2020 stelle ein verbotswidriges Zusammentreffen von mehreren Personen aus drei verschiedenen häuslichen Gemeinschaften im öffentlichen Raum dar; Ausnahmetatbestände nach § 1 Abs. 3 CoronaSchVO würden nicht vorliegen.
Der Betroffene hat mit Schriftsatz seines Verteidigers vo...