Verfahrensgang

AG Bielefeld (Entscheidung vom 05.04.2012; Aktenzeichen 34 F 297/12)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des antragstellenden Landes vom 18.04.2012 wird der Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 05.04.2012 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Amtsgericht - Familiengericht - Bielefeld zur Entscheidung über den gestellten Feststellungsantrag funktionell zuständig ist.

 

Gründe

I.

Der Antragsgegner hat aus seiner seit dem 19.11.2009 geschiedenen Ehe mit X vier Kinder. Das jüngste, die am ####2000 geborene Tochter X2, hat nach der Trennung der Eheleute seit dem November 2008 Leistungen nach dem UVG erhalten.

Die übergegangenen und künftig übergehenden Unterhaltsforderungen hat der Antragsteller 2010 gerichtlich geltend gemacht (Az 34 F 554/10 AG Bielefeld) und darüber den Anerkenntnisbeschluss vom 13.04.2010 erwirkt.

Nachdem das Amtsgericht Bielefeld am 05.10.2011 über das Vermögen des Antragsgegners das Insolvenzverfahren eröffnet hatte, hat der Antragsteller die für die Zeit von November 2008 bis zum Oktober 2011 erbrachten UVG-Leistungen und die insoweit übergegangenen Unterhaltsforderungen auf 6.142,- € beziffert und zur Insolvenztabelle angemeldet. Die Forderung ist auch in dieser Höhe zur Insolvenztabelle festgestellt worden. Der Antragsgegner hat dagegen, beschränkt auf die Anmeldung der Forderung als unerlaubte Handlung, Widerspruch eingelegt.

Im vorliegenden Verfahren will der Antragsteller durch das Familiengericht festgestellt haben, dass die festgestellte Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung gemäß den §§ 823 II BGB, 170 StGB beruhe, um gemäß § 302 InsO das Erlöschen der Forderung nach der Wohlverhaltensphase von 6 Jahren zu verhindern.

Das angerufene Familiengericht hat den gewählten Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit von Amts wegen an die Zivilabteilung des Amtsgerichts verwiesen. Es hat ausgeführt, Schwerpunkt der Prüfung liege bei der Frage einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung und nicht in der Prüfung des zu Grunde liegenden Unterhaltsanspruchs, der bereits tituliert sei.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde und macht geltend, abweichend von der Auffassung des Amtsgerichts erschöpfe sich die vorzunehmende Prüfung in der Feststellung der Bedürftigkeit der Berechtigten, der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und der Nichtzahlung, also unterhaltsrechtlichen Fragen. Seien diese Fragen zu bejahen, ergebe sich daraus der vorsätzliche Verstoß gegen die Unterhaltspflicht von selbst, so dass der Prüfungsschwerpunkt gerade nicht auf der Feststellung einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung liege.

II.

Die Beschwerde ist gemäß den §§ 17 a Abs. 4 GVG, 113 FamFG, 567 ff ZPO zulässig und hat Erfolg.

Das Amtsgericht hat darauf abgestellt, dass der vorliegende Fall nach dem Wortlaut des § 231 Nr. 1 FamFG nicht in die Zuständigkeit der Familiengerichte falle. Dabei hat es die fortgeltende Rechtsprechung des BGH übersehen, der den Familiengerichten auch Unterhaltsansprüche im "Gewand" von Befreiungs-, Bereicherungs- und Schadensersatzansprüchen zugewiesen hat.

1.

Der BGH hat zu § 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO a.F. den Rechtssatz geprägt, dass grundsätzlich alle Ansprüche unter diese Bestimmungen fielen, deren Zuweisung in den Zuständigkeitsbereich des Familienrechts nach Sinn und Zweck der genannten Norm geboten erscheine. Das führe dazu, dass auch Ansprüche im "Gewand" eines Befreiungs-, Bereicherungs- oder Schadensersatzanspruches von Abs. 1 erfasst würden, wenn sie ihre Wurzel im unterhaltsrechtlichen Verhältnis der Eheleute zueinander hätten (BGH, FamRZ 1978, S. 582, 584).

Dieser Rechtssatz gilt auch für die gemäß den § 111, 231 FamFG den Familiengerichten zugewiesenen Unterhaltssachen (Musielak/Borth, familiengerichtliches Verfahren, Kommentar, 2. Auflage, § 231, Rdnr. 7).

2.

Das Familiengericht ist zur Entscheidung über den geltend gemachten Feststellungsanspruch zuständig, weil der geltend gemachte Schadensersatzanspruch seine Wurzel im unterhaltsrechtlichen Verhältnis zwischen dem Antragsgegner und seinen Kindern hat.

Zwar mag man streiten, ob nach der Titulierung der Unterhaltsansprüche durch Anerkenntnisbeschluss nicht der Schwerpunkt der Prüfung darauf liegt, ob die feststehende Unterhaltspflicht vorsätzlich verletzt worden ist, das rechtfertigt aber nicht, diese Prüfung in die Zuständigkeit der allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit zu schieben. Der BGH hat nämlich schon in seiner oben zitierten Grundsatzentscheidung klargestellt, dass es im Interesse der Rechtssicherheit nicht darauf ankommen könne, ob im konkreten Fall der Streit der Parteien und der Schwerpunkt der rechtlichen Problematik im Unterhaltsrecht oder auf anderem Rechtsgebiet, etwa in bereicherungsrechtlichen Fragen liege (BGH FamRZ 1976, S. 585).

Es macht auch keinen Sinn, die Zuständigkeit zur Entscheidung über Schadensersatzansprüche bei Vorliegen eines Titels über den Unterhaltsanspruch anders zu beurteilen, denn der vorliegende Fall zeigt, dass dennoch unterhaltsrechtliche F...

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