Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an die Feststellungen bei einem sog. "Leergutdiebstahl".
Verfahrensgang
AG Werl (Entscheidung vom 14.02.2007) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Werl - Strafrichter - zurückverwiesen.
Gründe
I.
Durch das angefochtene Urteil sind die Angeklagten wegen Diebstahls zu Geldstrafen verurteilt worden, und zwar der Angeklagte zu einer solchen von 20 Tagessätzen zu je 10,00 Euro, die Angeklagte zu einer solchen von 15 Tagessätzen zu je 10,00 Euro.
Gegen dieses Urteil haben beide fristgerecht Rechtsmittel eingelegt, die sie als Revision bezeichnet haben und mit denen sie - der Sache nach beide - in zulässiger Weise die Verletzung des materiellen Rechts rügen.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt wie erkannt.
II.
Die zulässigen Revisionen der beiden Angeklagten haben vorläufig Erfolg.
Das Amtsgericht hat zur Sache aufgrund des Geständnisses der beiden Angeklagten folgende Feststellungen getroffen:
"Am 5. Dezember 2006 beredete der Angeklagte die Angeklagte G. zu einer Fahrt nach Ense. Während dieser Fahrt erklärte er der Mitangeklagten, er wolle vom Hof der Getränkehandlung Su. in Ense-Volbringen Leergut entwenden, um dieses später zu veräußern. Auch wenn die Angeklagte G. selbst kein primäres Interesse an dem Leergut hatte, willigte sie ein und suchte zusammen mit K. den Hof des Getränkevertriebs auf. Hier transportierten beide Angeklagte vom Firmengelände neun Käste PET Forstetaler, drei Kästen PET Brohler, vier Kästen Glasflaschen verschiedener Abfüller zu ihrem Pkw. Die Kästen wurden in den Pkw des Angeklagten K. verladen und später von der Polizei dort entdeckt. Da sich die Angeklagten offensichtlich gestört fühlten, verluden sie bereits bereitgestellte weitere Kästen nicht."
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift vom 19. Juli 2007 in der Sache wie folgt Stellung genommen:
"Die Feststellungen des Tatrichters tragen die Verurteilung der Angeklagten wegen Diebstahls nicht. Um eine Nachprüfung des Urteils auf Rechtsfehler zu ermöglichen, dürfen die Feststellungen des Tatrichters weder lückenhaft noch unvollständig sein, sondern müssen dem Senat die rechtliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidung ohne Rückgriff auf die Akten ermöglichen. Auf der Grundlage der Feststellungen des Amtsgerichts ist es jedoch nicht möglich zu prüfen, ob diese den Tatbestand des Diebstahls in der Form der Entwendung von Leergut tragen. Denn das Amtsgericht hat lediglich unvollständige Feststellungen zu der Art und Menge des entwendeten Leergutes und den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Beziehungen getroffen, so dass offen bleiben muss, ob die Angeklagten mit der erforderlichen Zueignungsabsicht i.S. des § 242 StGB handelten.
Hinsichtlich der Strafbarkeit der Entwendung von Pfandleergut kommt es für die Frage, ob der Täter sich die Sache selbst oder den von der Sache verkörperten Sachwert zuzueignen beabsichtigt, entscheidend auf die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Hersteller oder dem Abfüller der Getränke und dem Händler an. Insoweit ist zu differenzieren:
Soweit es sich bei dem Leergut um die Verpackung eines bestimmten Herstellers handelt, so behält dieser das Eigentum an der Verpackung, so dass der Käufer lediglich Eigentümer des Inhalts wird. Mangels zivilrechtlicher Einigung findet ein Eigentumsübergang an der Verpackung an den Käufer nicht statt. Dies gilt auch für die einzelnen Handelsstufen, also im Verhältnis des Herstellers zum Großhändler sowie des Großhändlers zum Einzelhändler. Vielmehr liegt hinsichtlich des Leergutes lediglich eine Leihe oder ein atypischer Gebrauchsüberlassungsvertrag vor.
Handelt es sich bei den entwendeten Waren dagegen um standardisiertes Leergut einer unbestimmten Art und Anzahl von Herstellern, beispielsweise um Eurobierflaschen, verliert der Hersteller oder der Abfüller sein Eigentum schon im Wege der Vermengung mit den Verpackungen anderer Hersteller gem. § 948 Abs. 1, 947 Abs. 1 BGB. Daher geht das Eigentum auf den verschiedenen Vertriebsstufen jeweils auf den Erwerber gem. § 929 S. 1 BGB über. Gleiches gilt bei Verpackungen, die zwar nicht einem bestimmten Hersteller, aber doch einer organisierten Herstellergruppe zuzuordnen sind (Hellmann, JuS 2001, 353 (354)).
Aus der zivilrechtlichen Lage folgt, dass derjenige, der Leergut entwendet, nur dann in Zueignungsabsicht handelt, wenn er Einheitsleergut unbestimmt vieler Hersteller oder einer bestimmten Herstellergruppe wegnimmt, da er sich in diesem Fall im Hinblick auf das Eigentum des Erwerbers eine eigentümerähnliche Stellung anmaßt, selbst wenn die Entwendung in der Absicht erfolgt, das Leergut gegen Erstattung des Pfandgeldes zurückgeben zu wollen. Dies gilt auch, wenn der Täter das Leergut bei dem Händler entwendet, um es diesen anschließend zurückzugeben. Denn auch in diesem Fall leugnet er das Eigentum des Hä...