Leitsatz (amtlich)
Es erfüllt den Tatbestand der Verkehrssicherungspflichtverletzung, wenn eine – vorübergehend – über einen Radweg geführte Rohrleitung mit einem Durchmesser von 25 cm bei Dunkelheit nur durch eine Absperrbake mit Warnblinklichtern und Verkehrszeichen 250 zu § 41 StVO (Verbot der Durchfahrt für Fahrzeuge aller Art) gesichert ist, die in einem so weiten Abstand zur eigentlichen Gefahrenquelle aufgestellt ist, dass der Bezug zur Gefahrenstelle nicht ohne weiteres gewahrt ist, und die Absperrung leicht umfahren oder auch im sommerlichen Angel- und Badebetrieb beiseite gestellt werden kann. Stürzt ein Radfahrer bei Dunkelheit über eine solche Rohrleitung, weil er diese erst im letzten Augenblick erkennt, muss er sich wegen eines Verstoßes gegen das Sichtfahrgebot eine erhebliche Anspruchsminderung gefallen lassen (hier: hälftige Minderung).
Normenkette
BGB § 839 Abs. 1, § 847; GG Art. 34; StVO § 3 Abs. 1, § 41
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 8 O 299/00) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.2.2001 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert.
1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 231,92 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 30.5.2000 zu zahlen.
2. Die Beklagten sind dem Grunde nach verpflichtet, als Gesamtschuldner dem Kläger unter Berücksichtigung eines Eigenverantwortungsanteils von 50 % ein angemessenes Schmerzensgeld wegen des Unfalls vom 31.7.1999 auf der … zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten dem Kläger als Gesamtschuldner zum Ersatz von 50 % der zukünftigen materiellen Schäden aus dem Unfall vom 31.7.1999 auf der … verpflichtet sind.
4. Zur Entscheidung über die Höhe des Schmerzensgeldes sowie zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits wird die Sache an das LG zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Firma … (Beklagte zu 2)), das von diesem beauftragte Unternehmen … (Beklagte zu 1)) und die beklagte Stadt (Beklagte zu 3)) wegen der Folgen eines Unfalls in Anspruch, den er am 31.7.1999 gegen 23.00 Uhr als Fahrradfahrer auf dem Radwanderweg … zwischen … erlitten haben will. Zu dieser Zeit ließ die Beklagte zu 2) durch die Beklagte zu 1) zwischen … und … von einem Kiesteich in den benachbarten Kiesteich pumpen. Die Beklagte zu 1) hatte zu diesem Zweck eine Sandspülleitung zwischen den Kiesteichen verlegt. Die schwarze Rohrleitung mit einem Durchmesser von ca. 25 cm führte über einen Wirtschaftsweg der beklagten Stadt, der Teil des Radwanderweges … ist. Vor der Verlegung der Rohrleitung hatte die beklagte Stadt auf Veranlassung der Beklagten zu 2) am 12.7.1999 den Wirtschaftsweg aus beiden Fahrtrichtungen mit Absperrbaken abgesperrt. An den Absperrbaken waren jeweils fünf rote Warnlampen sowie das Verkehrszeichen 250 zu § 41 StVO (Verbot der Durchfahrt für Fahrzeuge aller Art) befestigt. Aus Fahrtrichtung des Klägers gesehen befand sich die Absperrbake in einer Entfernung von rund 100 m vor der Rohrleitung, wobei an dem Standort der Absperrbake die Leitung kaum zu sehen war, sondern nahezu unsichtbar hinter einer Kurve lag. Unstreitig befanden sich unmittelbar an der Rohrleitung selbst keine weiteren Warnhinweise auf das Hindernis. Die Parteien streiten allerdings darüber, ob die Absperrbake auch in der Unfallnacht den Weg aus Fahrtrichtung des Klägers absperrte oder ob die Bake links neben dem Weg im Graben lag.
Nach seinem Vorbringen befuhr der Kläger am 31.7.1999 gegen 23.00 Uhr bei Dunkelheit mit seinem Fahrrad die … von … in Richtung … Das Licht an seinem Fahrrad sei eingeschaltet gewesen und er sei mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 km/h gefahren. Am Beginn des Weges, über den die Rohrleitung verlief, habe sich keine Absperrschranke befunden. Lediglich am linken Straßenrand habe er etwas blinken sehen, sich aber nicht weiter darum gekümmert. Nachdem er in den Weg hineingefahren sei, sei plötzlich und unvermittelt etwas Dunkles vor ihm aufgetaucht. Bei der sofort eingeleiteten Bremsung sei er über den Lenker seines Fahrrads nach vorne gestürzt und auf die Rohrleitung geprallt. Dabei habe er sich schwere Kopf- und Gesichtsverletzungen zugezogen.
Mit der Klage hat der Kläger Ersatz für die Beschädigung seines Fahrrades i.H.v. 907,20 DM sowie Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes bei einer Begehrensvorstellung von 50.000 DM verlangt.
Die Beklagten sind dem Begehren entgegengetreten. Sie haben den Unfall wie auch die Unfallfolgen mit Nichtwissen bestritten. Hilfsweise haben sie geltend gemacht, die Rohrleitung sei durch die Sperrung des Weges für Fahrzeuge aller Art durch Verkehrszeichen 250 zu § 41 StVO ausreichend abgesichert gewesen. Alle Beklagten haben überdies behauptet, die Absperrbake in Fahrtrichtung des Klägers habe auch zum Unfallzeitpunkt mittig auf dem Weg gestanden, die Absperrung mitsamt Durchfahrverbot sei mithin deutlich zu erkennen gewesen.
Die Beklagte zu 1) hat die Ansicht vertreten, die Verkehrssicherungspflicht für den streitgegenständ...