Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung der nach Erstbemessung gezahlten Entschädigung (Invalidität)
Leitsatz (amtlich)
1. Verlangt die Versicherung die nach Erstbemessung gezahlte Entschädigung zurück, hat sie zu beweisen, dass die Invalidität geringer als bei Zahlung zugrunde gelegt ist.
2. Dies gilt auch dann, wenn die Neubemessung nachträglich vereinbart worden ist.
Normenkette
AUB 94 §§ 7-8
Verfahrensgang
LG Siegen (Urteil vom 13.07.2005; Aktenzeichen 5 O 266/03) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 13.7.2005 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Siegen teilweise abgeändert.
Klage und Widerklage werden abgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden zu 2/3 dem Kläger und zu 1/3 der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der im Jahre 1938 geborene Beklagte hat bei der Klägerin eine Unfallversicherung genommen, welcher die AUB 94 der Klägerin zugrunde liegen. Am 2.3.2001 erlitt er einen Verkehrsunfall; er wartete in seinem Pkw - angeschnallt - vor einer Ampel, als ein anderer Wagen auffuhr. Er klagte im Folgenden über Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule und Schmerzen.
Die Klägerin holte ein Gutachten des Unfallchirurgen Dr. M. ein. Dieser stellte erhebliche degenerative Veränderungen der Wirbelsäule fest (welche auch unstreitig sind), bejahte aber (nach Berücksichtigung von Vorschäden und mitwirkender Vorerkrankung) eine zu entschädigende, unfallbedingte Invalidität von 5 %. Dementsprechend errechnete die Klägerin mit Schreiben vom 26.11.2001, auf welches Bezug genommen wird (Bl. 20 d.A.), eine Leistung von 12.050 DM (= 6.161,07 EUR) und zahlte diese.
Der Beklagte war damit nicht einverstanden und begehrte mit Schreiben vom 13.2.2002 eine weitere Begutachtung. Die Klägerin antwortete unter dem 19.2.2002 wie folgt:
"Bitte haben Sie Verständnis, dass wir keine Veranlassung sehen, das Gutachten von Herrn Dr. M. anzuzweifeln.
Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass der Versicherungsnehmer berechtigt ist, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahren nach Eintritt des Unfalles, erneut ärztlich bemessen zu lassen (§ 11 Abs. 4 AUB).
Sofern ihr Mandant dies wünscht, wollen wir deshalb im Oktober 2002 eine weitere Begutachtung an anderer Stelle (bei einem Arzt unserer Wahl) veranlassen.
Bitte beachten Sie, dass wir uns - sofern die Neubemessung des Invaliditätsgrades einen geringeren Invaliditätsgrad als 5 % ergibt - eine Rückforderung des bereits gezahlten Betrages vorbehalten.
Rechtzeitig vor der Begutachtung werden wir Sie informieren. Sofern von Ihrem Mandanten keine erneute Untersuchung gewünscht wird, informieren Sie uns bitte."
Der Beklagte widersprach nicht. So kam es im November 2002 zu einer Begutachtung durch den Orthopäden Dr. S., der die Auffassung vertrat, dass der Unfall keinen Dauerschaden verursacht habe.
Die Klägerin hat daraufhin mit der vorliegenden Klage ihre Leistung zurückgefordert. Der Beklagte hat Widerklage erhoben, mit welcher er eine weitere Entschädigung bis auf insgesamt 20 % Invalidität geltend gemacht hat.
Das LG hat ein schriftliches Gutachten des Orthopäden Professor Dr. S. eingeholt und dann zugunsten der Klägerin erkannt. Wegen der Einzelheiten - auch hinsichtlich des Sach- und Streitstandes in erster Instanz - wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit der Berufung hat der Beklagte zunächst seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt, darin aber in der mündlichen Verhandlung den Widerklageantrag reduziert auf 3.696,64 EUR (Entschädigung bis auf insgesamt 8 % Invalidität) und im Übrigen die Widerklage zurückgenommen.
Die Klägerin verteidigt das Urteil.
Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen erster Instanz. Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Der Senat hat ein ergänzendes mündliches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S. eingeholt; dazu wird auf den Berichterstattervermerk verwiesen.
II. Die Berufung ist insgesamt zulässig. Sie ist begründet, soweit der Beklagte die Abweisung der Klage begehrt. Hinsichtlich der Widerklage ist sie unbegründet.
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Berufung nicht etwa teilweise unzulässig, weil der Beklagte den erhaltenen Betrag nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils noch vor Einlegen der Berufung bereits an die Klägerin zurückgezahlt hat. Diese Zahlung erfolgte, wie vor dem Senat erörtert, nur zur Abwendung der von den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits mit Schreiben vom 18.8.2005 (Tag der Urteilszustellung) angekündigten Zwangsvollstreckung.
2. Zu Unrecht hat das LG der Klage auf Rückforderung der von der Klägerin erbrachten Zahlung von 12.050 DM (entsprechend 5 % Invalidität) stattgegeben. Ein solcher Rückforderungsanspruch besteht nicht.
a) Es ist nach dem Ergebnis der durch den S...