Leitsatz (amtlich)

1. Eine Zurechnung der Arglist der Fahrzeugherstellerin gegenüber dem Fahrzeughändler findet in Fällen des sog. "VW-Abgasskandals" nicht statt. Der Fahrzeughändler ist auch nicht Erfüllungsgehilfe der Herstellerin (im Anschluss an Senat, Urteil vom 08.01.2020 - 30 U 31/19 -).

2. Eine EG-Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne der §§ 6, 27 EG-FGV wird nicht deshalb ungültig, weil sie inhaltlich unrichtig ist. Das ist eine Frage des Typengenehmigungsverfahrens; für die Bescheinigung gilt ein formeller Gültigkeitsbegriff (im Anschluss an Senat, Urteil vom 08.01.2020 - 30 U 31/19 -).

3. Auch ein Verstoß gegen § 27 EG-FGV würde nicht zur Nichtigkeit des Kaufvertrages gemäß § 134 BGB führen (im Anschluss an Senat, Urteil vom 08.01.2020 - 30 U 31/19 -).

4. Die in Fällen des sog. "VW-Abgasskandals" bei Motoren des Typs EA 189 installierte Abschalteinrichtung, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, ist gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässig und stellt einen Sachmangel des Fahrzeugs dar (im Anschluss an BGH, Urteil vom 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 -).

5. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ist für den Käufer des Fahrzeugs gegenüber dem Fahrzeughändler gem. § 440 S. 1 Var. 3 BGB entbehrlich, da die ihm zustehende Art der Nacherfüllung (Nachbesserung) infolge des zerstörten Vertrauensverhältnisses zu der - laut Fahrzeughändler - einzig zur Nachbesserung fähigen Fahrzeugherstellerin unzumutbar ist (im Anschluss an OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.12.2018 - 17 U 4/18 -).

6. Ein Mangel, der die dauerhafte Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs in Frage stellt, kann nicht als unerheblich angesehen werden und ist für die meisten Kaufinteressenten ein Grund, Abstand von dem Erwerb des Fahrzeuges zu nehmen (im Anschluss an OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.12.2018 - 17 U 4/18 -).

7. Eine Feststellungsklage gegen den Fahrzeughersteller ist bereits vor dem Hintergrund der noch ausstehenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu der Frage, ob sog. Thermofenster bei dem Motortyp EA 189 eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen, zulässig. Zudem können bis zum Vollzug der Rückabwicklung des Fahrzeugs der Erhaltung oder Wiederherstellung dienende Aufwendungen erforderlich werden, für die die Fahrzeugherstellerin grundsätzlich schadensersatzpflichtig ist (im Anschluss an OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.07.2019 - 17 U 160/18 -).

In dem Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen (nicht offen gelegten) Abschalteinrichtung, aufgrund der die Entziehung der Betriebserlaubnis droht, liegt eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung sämtlicher potentieller Käufer gem. § 826 BGB (im Anschluss an OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.03.2019 - 13 U 142/18 -).

Es ist insbesondere mit Blick auf die Bedeutung der Entscheidung davon auszugehen, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Fahrzeugherstellerin im Sinn des § 31 BGB Kenntnis von dem Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung hatte. Es obliegt der Fahrzeugherstellerin im Rahmen ihrer sekundären Darlegungs-last, diese Annahme zu widerlegen (im Anschluss an OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.03.2019 - 13 U 142/18 -).

 

Normenkette

BGB §§ 31, 123, 134, 166, 203, 242, 249, 278, 323, 346, 434, 437-440, 812, 826; EG-FGV §§ 6, 25, 27; FZV § 2 Nr. 4, § 3 Abs. 1 S. 2, § 5 Abs. 1; StGB § 263; ZPO § 138 Abs. 3, §§ 256, 287

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 25 O 143/18)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten zu 2 gegen das Urteil des Einzelrichters der 25. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund - 25 O 143/18 - vom 07.01.2019 wird dieses unter Zurückweisung der Berufung des Klägers und der Berufung der Beklagten zu 2 im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger 5.867,45 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.04.2017 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw W, FIN: ....

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2 verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs W, FIN ..., durch die Beklagte zu 2 resultieren.

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1 im Verzug der Annahme des in Ziff. 1 bezeichneten Fahrzeugs befindet.

4. Die Beklagte zu 2 wird zur Freistellung des Klägers von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten dem Kläger entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 808,13 EUR verurteilt.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers in I. Instanz tragen der Kläger zu 42 %, die Beklagte zu 1 zu 35 % und die Beklagte zu 2 zu 23 %. Der Kläger trägt 55 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 in I. Instanz. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten in I. Instanz selbst.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers in der Berufungsinstanz tragen der Kläger...

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