Verfahrensgang
LG Bielefeld (Entscheidung vom 25.09.2007; Aktenzeichen 4 O 522/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - das am 25.09.2007 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 06.08.2005 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner den Klägern den entstandenen materiellen Schaden zu ersetzen, den der verstorbene T2 aus der fehlerhaften Behandlung vom 02. - 04.08.2004 bis zum 08.03.2008 erlitten hat, sofern nicht Ansprüche auf Grund gesetzlicher Vorschriften auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Kläger zu 21,6 % und die Beklagten zu 78,4 % als Gesamtschuldner, von den Kosten der Berufungsinstanz tragen die Kläger 70 %, die Beklagten tragen 30 % als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Kläger sind als Ehefrau und Kinder die Rechtsnachfolger des am 17.11.1962 geborenen und am 08.03.2008 - nach Rechtshängigkeit des zugrunde liegenden Klageverfahrens - verstorbenen T2.
Der durch langjährige Diabetes mellitus (Typ II a), chronischen Nikotinabusus, Übergewicht (178 cm, 98 kg) und Hypertonie erheblich gesundheitlich vorbelastete Herr T2 hat erstinstanzlich von den Beklagten sowohl materiellen als auch immateriellen Schadensersatz (Schmerzensgeldvorstellung: 519.000,00 Euro) verlangt wegen fehlerhafter Behandlung (Diagnose- und Behandlungsfehler) im Zusammenhang mit dem stationären Aufenthalt vom 02.08. bis 04.08.2004 im Städtischen Krankenhaus W2. Die Beklagte zu 1) ist Trägerin des Krankenhauses, der Beklagte zu 2) ist dort als Chefarzt der Inneren Abteilung tätig.
Herr T2 hat vertreten durch die jetzige Klägerin zu 1) als Betreuerin behauptet, wegen des behandlungsfehlerhaften Vorgehens der Beklagten sei es zu einem akuten Myokardinfarkt und - wegen weiterer Behandlungsfehler im Rahmen seiner Reanimation vom 04.08.2004 - letztlich zu einer akuten Sauerstoffunterversorgung mit nachfolgendem hypoxischem Hirnschaden gekommen. Bei ihm liege ein schweres hirnorganisches Psychosyndrom und eine Tetraparese vor; eine Sprachproduktion oder überhaupt irgendeine Kommunikation sei ihm nicht mehr möglich.
Herr T2 war am 10.03.2005 nach mehrmonatigem Aufenthalt aus der Frührehabilitation im Klinikum P nach Hause entlassen worden. Am 08.03.2008 ist er an den Folgen des fulminanten Vorderwandinfarkts und Herzkreiskaufstillstands vom 04.08.2004 verstorben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht Bielefeld hat nach Einholung eines schriftlichen kardiologischen Gutachtens und Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. S mehrere grobe Behandlungsfehler festgestellt und wegen des nicht gelungenen Kausalitätsgegenbeweises der Beklagten die Klage für überwiegend begründet erachtet.
Mit ihrer Berufung begehren die Beklagten die vollständige Klageabweisung und machen im Wesentlichen geltend:
Der Beklagte zu 2) sei nicht passivlegitimiert, denn er sei erstmals im Rahmen des Reanimationsvorgangs (04.08.2004, nach 6.15 Uhr) mit der Behandlung des Herrn T2 befasst gewesen. Diesen Behandlungsabschnitt habe der Sachverständige aber nicht als fehlerhaft beanstandet. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S sei unbrauchbar, weil er das Behandlungsgeschehen ausschließlich aus der Ex-post-Sicht bewertet habe. Obwohl es sich bei dem Krankenhaus W2 um ein solches der Grund- und Regelversorgung handele, sei der Sachverständige oftmals von den Maximalvoraussetzungen einer Uniklinik ausgegangen. Auf dieser Grundlage sei das Landgericht zu der unzutreffenden Bewertung gelangt, dass grobe Behandlungsfehler gegeben seien.
Die von dem Sachverständigen verlangte invasive Diagnostik und Verlegung des Patienten T2 in ein Spezialzentrum seien nicht geboten gewesen und hätten auch zu keinem anderen Ergebnis geführt. Selbst bei einem optimalen Behandlungsmanagement habe der gleiche Erfolg eintreten können. Über die Höhe des Schmerzensgeldbetrages habe das Landgericht nicht ohne die vorherige Einholung eines neurologischen Zusatzgutachtens entscheiden dürfen.
Die Beklagten beantragen,
die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Feststellungsausspruch nur hinsichtlich der bis zum 08....