Leitsatz (amtlich)
Auf Rentenversicherungsverträge gegen Einmalbeitrag findet § 169 Abs. 3 S. 1 VVG keine Anwendung.
Normenkette
VVG § 169
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 24.09.2015; Aktenzeichen 2 O 375/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 24.09.2015 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dortmund abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 5.735,18 Euro für die Zeit vom 23.08.2012 bis zum 31.12.2013 zu zahlen.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 747,80 Euro an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2013 zu zahlen.
Das weiter gehende Rechtsmittel des Beklagten wird zurückgewiesen.
Die weiter gehende Klage der Klägerin wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 85 % und der Beklagte 15 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin macht - weiter gehende - Ansprüche nach Kündigung von 3 Rentenversicherungen gegen Einmalzahlungen geltend.
Der Beklagte policierte antragsgemäß am 28.06.2010 drei Rentenversicherungen mit sofort beginnender Rentenzahlung gegen Einmalbeträge von 35.000,- EUR, 35.000,- EUR und 70.000,- EUR (K1). Wegen der Einzelheiten wird auf die Versicherungsscheine (K1), die Produktinformationsblätter (K2) sowie die AVB (K3) Bezug genommen.
Nach vorangegangenen Telefonaten und der Erteilung von Informationen durch den Beklagten erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 28.12.2010 (K4) die Kündigung der drei Versicherungsverträge mit sofortiger Wirkung und bat um Überweisung der Auszahlungsbeträge. Unter dem 06. und dem 10.01.2011 rechnete der Beklagte die Verträge ab (K4) und zahlte auf den Vertrag Nr. 34362962 eine Rückvergütung von 30.428,10 EUR, auf den Vertrag Nr. 34362963 eine Rückvergütung von 60.857,27 EUR und auf den Vertrag mit der Nr. 34362965 eine Rückvergütung von 30.428,10 EUR.
Mit einem sog. Musterbrief vom 17.08.2012 (K5) verlangte die Klägerin unter Hinweis auf Rechtsprechung des BGH u.a. den zu Unrecht vorgenommenen Stornoabzug, was die Beklagte mit Schreiben vom 23.08.2012 (K5) ablehnte. Nachdem sich der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin für diese gemeldet hatte, erteilte der Beklagte mit Schreiben vom 23.12.2013 (K7) Auskunft über die vorgenommenen Stornoabzüge. Er kündigte die Auszahlung der Stornoabzüge von je 1.433,78 EUR hinsichtlich der Verträge Nr. 34362962 und 34362965 sowie von weiteren 2.867,62 EUR auf den Vertrag Nr. 34362963 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht an, lehnte jedoch eine Erstattung der Abschlusskosten unter Hinweis auf eine Kommentarstelle bei Prölss/Martin ab.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin anteilige Erstattung der Abschlusskosten sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nach einem Streitwert einschließlich des ausgezahlten Stornoabzuges. Die Regelungen über die Abschluss- und Vermittlungskosten seien unwirksam. Aus der eindeutigen Regelung des § 169 Abs. 3 VVG ergebe sich, dass der Beklagte Abschluss- und Vermittlungskosten nur anteilig in Höhe von 1/5 behalten könne. Rechtsprechung sei nur zur Rechtslage vor der VVG-Reform ergangen, die überwiegende Literatur berücksichtige die VVG-Reform nicht hinreichend.
Daneben entspreche die Rentenversicherung einer Kapitalanlage. Die Klageforderung ergebe sich auch als Schadensersatzanspruch, da sie nicht über die Nachteile bei vorzeitiger Kündigung belehrt worden sei.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
1. an sie 6.160,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 11.895,18 EUR seit dem 23.08.2012 zu zahlen;
2. an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.275,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinsatz seit dem 15.03.2013 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
§ 169 Abs. 3 S. 1 VVG sei auf Verträge mit Einmalbeiträgen nicht anwendbar. Die vertraglichen Vereinbarungen seien auch im Übrigen wirksam. Es bestehe insbesondere kein Kündigungsrecht, weil § 168 Abs. 2 VVG nicht anwendbar sei, nachdem die Rentenauszahlung bereits begonnen habe.
Das LG Dortmund (Urteil vom 24.09.2015, Az. 2 O 375/14, veröffentlicht in VersR 2016, 1047) hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Klägerin habe nach § 169 Abs. 1, Abs. 3 VVG Anspruch auf die Klageforderung.
Die Klägerin habe die Verträge wirksam gekündigt, weil das vertragliche Kündigungsverbot gegen § 168 Abs. 2 VVG verstoße. Die Rechtsmeinung, die diese Regelung nach begonnener Rentenzahlung nicht mehr anwende, sei unzutreffend. Der Wortlaut sehe keine Ausnahme für den Fall der Kündigung nach dem Rentenzahlungsbeginn vor. "Antiselektionsgründe" bestehen bei der vorliegenden Rentenversicherung nicht, weil der Beklagte nach dem Inhalt der Versicherungsscheine verpflichtet sei, im Falle des Todes der versicherten Person im Rentenbezug den Einmalbetrag abzüglich bereits gezahlter Rente...