Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsunfähigkeitsversicherung
Leitsatz (amtlich)
Wird bei dem Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeits-(zusatz-)versicherung als Beruf "Hausmann" angegeben, obwohl in Wahrheit der zu Versichernde eine Freiheitsstrafe verbüßt, kann dies eine arglistige Täuschung ggü. dem Versicherer sein.
Normenkette
BGB § 123; VVG § 22
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 11.05.2006; Aktenzeichen 5 O 290/05 IV) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.5.2006 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten um den Fortbestand eines Versicherungsvertrages (und - bis zur Berufungsverhandlung - einer aus diesem Vertrag herrührenden Leistungspflicht).
Die Klägerin beantragte am 19.10.2004 (in der Agentur S nach vorangegangenem Besuch der Zeugin R - Agenturmitarbeiterin - in der Wohnung der Klägerin) den Abschluss einer Lebensversicherung mit Kapital- oder Rentenzahlung im Erlebensfall und Beitragserstattung im Todesfall während der Aufschubfrist ("Startpolice") für ihren Sohn F als versicherter Person. Eingeschlossen war weiterhin eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Rente 400 EUR mtl. längstens bis zum 31.1.2035; monatliche Beiträge hierfür 4,68 +17,70 EUR, vgl. Anlage B3). In dem Antrag ist unter der Rubrik "ausgeübter Beruf" die Bezeichnung "Hausmann" eingetragen (Bl. 8 ff. d.A.). Zu diesem Zeitpunkt verbüßte der Sohn F jedoch unstreitig eine Haftstrafe in einer JVA. Die Einzelheiten des Antragsaufnahmegespräches sind teilweise streitig.
Am 26.6.2004 erlitt der Sohn während eines Hafturlaubs einen Verkehrsunfall mit einem Motorrad. Der Sohn führte das Motorrad, ohne in Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein und nach vorheriger Einnahme von Cannabis. Er wurde bei dem Unfall schwer verletzt (Brüche und innere Verletzungen). Die - anwaltlich vertretene - Klägerin meldete mit Schreiben vom 7.7.2004 vorsorglich Ansprüche aus der BUZ bei der Beklagten an (Bl. 34 d.A.). Die Beklagte erbat die Erteilung weiterer Informationen. Aus dem weiteren Schriftwechsel erfuhr die Beklagte von dem Umstand, dass der Sohn bei Antragstellung eine Haftstrafe verbüßte. Unter dem 29.11.2004 erklärte die Beklagte den Rücktritt vom und die Anfechtung des BUZ-Vertrages (Bl. 39 d.A.). Sie stützte dies auf eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, da die Klägerin den Umstand der Inhaftierung verschwiegen habe. Gleichzeitig verweigerte sie Leistungen aus der BUZ, weil der Unfall durch eine vorsätzliche Straftat verursacht worden sei.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, vom Vertrag zurückzutreten und diesen anzufechten. Sie hat behauptet, dass sie der Zeugin R bei Antragsaufnahme mitgeteilt habe, dass ihr Sohn inhaftiert sei. Darauf habe die Zeugin R vorgeschlagen, dass man als Beruf "Hausmann" angeben könne. Dessen ungeachtet vertritt die Klägerin die Auffassung, dass der Umstand der Inhaftierung keinen gefahrerheblichen Umstand darstelle, der zum Rücktritt oder zur Anfechtung berechtige.
Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass der zwischen den Parteien zur Versicherungsnummer ... geschlossene Rentenversicherungsvertrag vom 22.1.2004 ungeachtet des von der Beklagten mit Schreiben vom 29.11.2004 erklärten Rücktritts unverändert fortbesteht und dass die Beklagte zur Erbringung der vertragsgemäßen Leistungen verpflichtet ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat sich zum Rücktritt und zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung für berechtigt gehalten. Die Klägerin habe als Beruf des Sohnes "Hausmann" angegeben, obwohl der Sohn bei Antragstellung unstreitig inhaftiert war. Die Klägerin habe der Zeugin R nicht erklärt, ihr Sohn sei in Haft. Sie habe lediglich gefragt, ob es ein Problem sei, dass der Sohn früher einmal inhaftiert gewesen sei. Hätte sie - die Beklagte - von der Inhaftierung gewusst, hätte sie den Vertrag nicht geschlossen.
Das LG hat zu den Umständen der Antragsaufnahme die Zeugen X (Tochter der Klägerin, Bl. 114 R d.A.), R (Bl. 115 d.A.), S (Bl. 117 d.A.) und M (Bl. 129 d.A.) vernommen und die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe den "zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrag" zu Recht wegen arglistiger Täuschung angefochten. Die Klägerin habe über gefahrerhebliche Umstände i.S.v. § 16 VVG arglistig getäuscht. In der BUZ sei die Angabe des Berufes bzw. der derzeitigen Tätigkeit ein Umstand, der Einfluss auf einen Vertragsabschluss des Versicherers ausübe. Die Klägerin habe bei Antragstellung Angaben gemacht, die dazu geführt hätten, dass der Sohn als Hausmann eingestuft wurde. Nach den Bekundungen der Zeugin R habe die Klägerin auf die Frage, was denn ihr Sohn beruflich mache, erklärt, dass dieser schon früher mal inhaftiert gewesen sei, zurzeit sei er aber zu Hause und arbeitsuchend. Auf die aktuelle Inhaftierung habe die Klägerin nicht hingewiesen. Der teilweise entgeg...