Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfall nach Beendigung einer Straftat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Ausschluss nach § 2 Abschnitt I Abs. 2 AUB 88/94 ("dem Versicherten dadurch zustoßen, dass er vorsätzlich eine Straftat ausführt oder versucht") kann auch einen Unfall erfassen, der sich nach Vollendung und Beendigung einer Strafttat ereignet. Voraussetzung ist dann - neben einem adäquaten und gefahrtypischen Kausalzusammenhang zwischen Straftat und Unfall, dass der Unfall in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Straftat steht (Fortführung von BGHZ 23, 76; BGH v. 23.9.1998 - IV ZR 1/98, MDR 1998, 1478 = VersR 1998, 1410).

2. Diese Voraussetzung kann gegeben sein, wenn der Versicherte einen Fluchtversuch beendet und dann von der Polizei gestellt wird (hier bejaht).

 

Normenkette

AUB 88 (94) § 2 Abschn. I Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 28.09.2006; Aktenzeichen 2 O 122/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 28.9.2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages erbringt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einer Unfallversicherung (Invaliditätsleistung, Unfallkrankenhaustagegeld, Genesungsgeld) in Anspruch.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Unfallversicherung; vereinbart sind die AUB 95 der Beklagten.

Der Kläger befuhr am Abend des 30.5.2004 mit seinem Pkw Audi ... die B 469 FR Obernburg mit stark überhöhter Geschwindigkeit. Er überholte eine Polizeistreife, die wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung zur Verfolgung ansetzte, den Kläger aber zunächst wegen der von ihm gefahrenen hohen Geschwindigkeit aus den Augen verlor. In der Ortschaft Elsenfeld konnten die Beamten des Streifenwagens, PHM H und POM A, wieder aufschließen, da der Kläger vor einer Rotlicht anzeigenden Lichtzeichenanlage hielt. POM A stieg aus dem Streifenwagen aus, um eine Fahrzeugkontrolle durchzuführen. Er begab sich zum Fahrzeug des Klägers, in dem die Zeugen X und R als Beifahrer mitfuhren. POM A begab sich zur Beifahrerseite und wies den Kläger an, hinter der Kreuzung anzuhalten. Durch das geöffnete Fahrzeugfenster konnte er deutlich Alkoholgeruch sowie überlaute Musik wahrnehmen.

Der Kläger setzte bei Grünlicht seine Fahrt mit hoher Geschwindigkeit fort. Der Streifenwagen folgte mit Blaulicht und Martinshorn. In der Ortsmitte Elsenfeld musste der Kläger erneut verkehrsbedingt anhalten. POM A stieg erneut aus und ging auf das Fahrzeug des Klägers zu. Der Kläger fuhr kurz zurück und setzte sodann seine Flucht weiter fort. Den vor dem Audi befindlichen POM A umfuhr er. Streitig ist, ob er direkt auf den Polizeibeamten zufuhr.

Kurz vor dem Ortsausgang von Elsenfeld gab der Kläger sodann gegen 22.00 Uhr seine Flucht auf. Er hielt auf der Kleinwallstädter Straße in einer Parkbucht an und stellte den Motor aus. Der Streifenwagen stoppte neben dem Audi auf der Fahrerseite. POM A stieg wiederum aus, öffnete die Fahrzeugtür, zerrte den Kläger aus seinem Fahrzeug und warf ihn zu Boden. Dabei löste sich ein Schuss aus der entsicherten Dienstwaffe des POM A. Der Kläger erlitt einen Bauchdurchschuss.

Die bei dem Kläger um 23.50 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 2,18o/oo im Mittel.

Der Kläger wurde mehrfach operiert. Er befand sich bis zum 2.7.2004 in stationärer Behandlung. Bis zum 19.9.2004 war er arbeitsunfähig.

Der Chirurg Dr. S stellte am 26.8.2005 wegen der Bauchverletzung Invalidität fest, die er mit 20 % einschätzte.

Die Beklagte verweigerte Leistungen aus der Unfallversicherung und berief sich auf Ausschlusstatbestände.

Der Kläger wurde durch Urteil des AG Obernburg a.M. vom 21.4.2005 wegen einer fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe verurteilt. Ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen.

Der Kläger hat Leistungen aus der Unfallversicherung wie folgt eingeklagt:

Krankenhaustagegeld 2.193,51 EUR

Genesungsgeld 1.213,16 EUR

Invaliditätsleistung (30 %) 44.908 EUR

48.314,67 EUR

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Es bestehe kein Versicherungsschutz, da sich die Beklagte zu Recht auf Leistungsfreiheit gem. § 2 I (1) AUB berufe.

Auf den Inhalt des am 28.9.2006 verkündeten Urteils wird, auch wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand in erster Instanz, Bezug genommen.

Der Kläger greift das Urteil mit der Berufung an und verfolgt seinen Klageantrag weiter. Er meint, das LG habe einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung und dem Unfall zu Unrecht bejaht und die gebotene wertende Beurteilung unterlassen. Insbesondere sei nicht berücksichtigt worden, dass er, der Kläger, Flucht und Trunkenheitsfahrt bereits beendet hatte, als sich der Unfall er...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?