Leitsatz (amtlich)

In Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 11.05.2006, Az. IX ZR 247/03 Rn. 7), nach der die Entstehung eines Absonderungsrechts mit Blick auf die Abtretung von Honoraransprüchen eines Kassenarztes lediglich die Erbringung der ärztlichen Dienstleistung voraussetzt, folgt der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Urteil vom 10.12.2014, Az. B KA 45/13R, Rn. 31) der Ansicht, dass die Entstehung des Honoraranspruchs zudem zumindest auch die Abrechnung der Leistungen gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung voraussetzt.

 

Normenkette

InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 129 I, § 131 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 28.01.2016; Aktenzeichen 102 O 18/14)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.01.2016 verkündete Urteil der 102. Zivilkammer des LG Münster abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von insgesamt 23.304,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2011 zu zahlen.

Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A.I. Der Kläger macht in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Zahnärztin X (im folgenden: Schuldnerin) von der beklagten Bank Ansprüche aufgrund von Verrechnungen im Kontokorrentkonto aus Insolvenzanfechtung geltend.

In der Zeit vom 25.02.2011 bis zum 27.06.2011 - der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens datiert vom 25.05.2011 - verringerte sich der Debetsaldo des Kontokorrentkontos der Schuldnerin - der von Seiten der Beklagten ein Kontokorrentkredit in Höhe von 25.000,- EUR eingeräumt worden war - infolge von die Abflüsse von dem Konto übersteigender Einzahlungen durch Drittschuldner von 24.927,80 EUR auf 9.154,44 EUR. Den maßgeblichen Anteil der Gutschriften machten Zahlungen der kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KZVWL) in Höhe von insgesamt 40.709,73 EUR aus. Der Differenzbetrag der Saldenstände zum 25.02.2011 und 27.06.2011 in Höhe von 15.773,36 EUR war erstinstanzlich ebenso Gegenstand der Klage wie zugunsten der Beklagten von dem Konto abgeflossene Buchungen in Höhe von insgesamt 7.531,46 EUR, mit denen fällige Forderungen der Beklagten aus einem mit der Schuldnerin geschlossenen Darlehensvertrag beglichen wurden.

Die Beklagte hat erstinstanzlich unter anderem die Ansicht vertreten, es fehle schon an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung, da die Schuldnerin - was unstreitig ist - sämtliche ihr gegenüber der KZVWL zustehenden Ansprüche im Jahre 1998 sicherungshalber an die Beklagte abgetreten habe.

Hinsichtlich des näheren Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie - zum besseren Verständnis der Zu- und Abflüsse auf dem Konto - auf die als Anlage B 8 (Bl. 380d. GA) zu den Akten gereichte Übersicht verwiesen.

II. Das LG hat die Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 14.801,10 EUR verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

10. Zur Begründung hat es ausgeführt, im Wesentlichen seien nur die auf dem Konto der Schuldnerin eingegangen Zahlungen der KZVWL vom 16.05.2011 und 15.06.2011 in Höhe von insgesamt 14.800,- EUR gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Diese Zahlungseingänge beruhten auf einer mit Schreiben vom 12.09.2000 erteilten Anweisung der Schuldnerin gegenüber der KZVWL und stellten daher eine Rechtshandlung der Schuldnerin dar.

11. Mit diesen Zahlungen sei der zu diesem Zeitpunkt ungekündigte Kontokorrentkredit zurückgeführt worden, was eine inkongruente Deckung darstelle.

12. Zwar fehle es an einer Gläubigerbenachteiligung, wenn die Gutschriften auf der Bezahlung solcher Forderungen beruhten, die einer Bank zur Sicherheit abgetreten worden seien. Für die anfechtungsrechtliche Beurteilung maßgeblich sei aber nicht der Zeitpunkt der Abtretung, sondern derjenige der Entstehung und Fälligkeit des abgetretenen Anspruchs. Der Zahlungsanspruch der Schuldnerin gegenüber der KZVWL sei hier erst mit der Einreichung der Abrechnungsunterlagen am 05.07.2011 entstanden, mithin nicht vor dem gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtungsrelevanten Ein-Monats-Zeitraum. Ein vorheriges Absonderungsrecht der Beklagten habe daher nicht entstehen können. Für die Entstehung der abgetretenen Forderung maßgeblich sei entgegen der bislang durch den Bundesgerichtshof vertretenen Rechtsauffassung nicht schon der Zeitpunkt der durch die Schuldnerin erbrachten tatsächlichen Dienstleistung, sondern mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aufgrund der Besonderheiten der rechtlichen Beziehung eines Vertragsarztes zur KZVWL der Erlass des Honorarbescheides bzw. der Eingang der Abrechnung bei der KZV...

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