Leitsatz (amtlich)
Tilgt bei einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft die Organgesellschaft Umsatz-steuerschulden der Organträgerin, so ist eine wirksame Insolvenzanfechtung der Zahlung ggü. der Finanzbehörde nicht vom Erlass eines Haftungsbescheides abhängig.
Normenkette
InsO §§ 38, 131 Abs. 1 Nr. 2, § 143 Abs. 1 S. 1; AO §§ 44, 73 S. 1, §§ 191, 219
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Urteil vom 01.04.2010; Aktenzeichen I-4 O 485/09) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen das am 1.4.2010 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Arnsberg wird zurückgewiesen.
Das beklagte Land trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. T GmbH. Auf den Eigenantrag der Schuldnerin vom 19.12.2008 wurde am 1.2.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit der Klage macht der Kläger ggü. dem beklagten Land Ansprüche aufgrund einer Insolvenzanfechtung geltend.
Die Insolvenzschuldnerin war in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht in das Vermögen ihres Alleingesellschafters und Geschäftsführers, des Streithelfers des Klägers, eingliedert. Es bestand zwischen der Insolvenzschuldnerin (Organgesellschaft) und dem Streithelfer (Organträger) eine umsatzsteuerliche Organschaft. Der Organträger war und ist solvent und in der Lage, seine Verbindlichkeiten zu bedienen.
Das beklagte Land zog am 14.10.2008 im Wege einer Lastschrift eine Umsatzsteuerzahlung i.H.v. 60.735,73 EUR vom Konto der Insolvenzschuldnerin bei der Sparkasse T2 ein. Grundlage dafür war eine Umsatzsteuervoranmeldung für den Steuerzeitraum August 2008. Steuerschuldner dieser Forderung war der Organträger, wobei aber die Umsatzsteuerlast bei der Insolvenzschuldnerin verursacht wurde. Für das Geschäftskonto der Schuldnerin übersandte die Sparkasse T2 jeweils monatlich einen Kontoabschluss. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkasse bestand die Möglichkeit, gegen die Lastschriften binnen einer Frist von sechs Wochen Widerspruch einzulegen.
Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 2.11.2009 die Insolvenzanfechtung wegen des eingezogenen Betrages von 60.735,73 EUR. Das Finanzamt T2 wies den Anspruch durch Schreiben vom 10.11.2009 zurück.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er könne die Lastschriftbuchung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechten. Insbesondere handele es sich bei dem beklagten Land um einen Insolvenzgläubiger im Sinne der Insolvenzordnung. Ferner liege auch eine inkongruente Deckung vor, weil - mangels Erlass eines Haftungsbescheides nach § 73 AO - eine fällige Verbindlichkeit der Insolvenzschuldnerin nicht vorgelegen habe.
Das beklagte Land hat dagegen die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für eine Anfechtung nicht vorliegen, die Insolvenzschuldnerin vor Erlass eines Haftungsbescheides nicht Steuerschuldnerin gewesen sei. Eine Anfechtung nach § 134 InsO komme deshalb nicht in Betracht, weil der Organträger solvent sei.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Genehmigung der Lastschrift sei nach § 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Das beklagte Land sei Insolvenzgläubiger der Schuldnerin gewesen, da die Organgesellschaft gem. § 73 S. 1 AO für die Steuern des Organträgers hafte. Dieser Anspruch sei aber noch nicht fällig gewesen, so dass ein inkongruentes Geschäft vorliege. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
Das beklagte Land wendet sich mit der Berufung gegen das Urteil des LG. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, die angefochtene Entscheidung stehe im Widerspruch zur Entscheidung des BFH vom 23.9.2009 (Aktenzeichen XII R 43/08). Es sei kein Insolvenzgläubiger gewesen. Es fehle an einer unmittelbaren Haftung der Insolvenzschuldnerin als Organgesellschaft. Ein Haftungsbescheid sei nicht erlassen worden. Zudem müsse der Kläger vorrangig die Anfechtung ggü. dem Organträger geltend machen. Eine Schenkungsanfechtung scheide aus, da die Steuerforderung ggü. der Einzelfirma werthaltig gewesen sei.
Das beklagte Land beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die Entscheidung des LG und nimmt dazu Bezug auf seinen erstinstanzlichen Vortrag.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung des beklagten Landes ist unbegründet. Die Kammer hat zu Recht und mit zutreffender Begründung der Klage stattgegeben. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung...