Leitsatz (amtlich)
1. In der Nicht- oder Schlechterfüllung der Gewässerunterhaltungspflicht durch die unterhaltungspflichtige Gemeinde kann eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegen. Für diese wird nach allgemeinem Deliktsrecht, nicht nach Amtshaftungsgrundsätzen gehaftet (Anschluss an OLG Hamm NVwZ-RR 2003, 107).
2. Der Unterhaltungspflichtige hat das Gewässer auch im Bereich eines unter einer Straße herführenden Rohrdurchlasses zu unterhalten und insb. einer Verlandung vorzubeugen. Ein solcher Rohrdurchlass ist zwar eine Anlage in bzw. an fließenden Gewässern, die gem. § 94 LWasserGNW durch den Eigentümer zu unterhalten ist.. Von der Pflicht, die Anlage zu unterhalten ist aber die allgemeine Unterhaltungspflicht für das Gewässer zu unterscheiden.
3. Der Unterhaltungspflichtige verletzt seine Verkehrssicherungspflicht jedenfalls dann, wenn er eine Verlandung eines (an sich ausreichend dimensionierten) Rohrdurchlasses in einem solchen Maße zulässt, dass er bereits ein zweijähriges Hochwasserereignis nicht mehr aufnehmen kann, so dass es zu einer rückstaubedingten Überschwemmung kommt.
4. Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der gerichtliche Sachverständige für seine Begutachtung die an der zum Schadensort nächstgelegenen Wetterstation gemessenen Niederschlagsmengen zugrunde legt.
Normenkette
BGB § 823; WHG a.F. § 29; LWasserGNW §§ 90-91, 94-95; ZPO § 97
Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 15.06.2009; Aktenzeichen 2 O 564/08) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.6.2009 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Paderborn wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des zweiten Rechtszuges bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks in E2. Das darauf befindliche Haus wurde entsprechend der Baugenehmigung ordnungsgemäß errichtet. In der Nähe ihres Grundstücks befindet sich ein Gewässer 2. Ordnung. Dieses wird unter der Straße L # durch einen Regenwasserdurchlass der Größe DN 600 geleitet. Für die Erhaltung der Straße ist die Straßenbauverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen zuständig. Wer für die Erhaltung des Regenwasserdurchlasses zuständig ist, ist zwischen den Parteien streitig.
Am Abend des 9.8.2007 fiel starker Regen. Dieser führte dazu - wobei Einzelheiten streitig sind -, dass der Keller des Hauses der Kläger überflutet wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 8.10.2009 nebst den beigefügten Fotografien verwiesen (Bl. 103 ff. d.A.). Die Kläger machen insoweit einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 14.575,96 EUR gegen die Beklagte geltend.
Die Kläger behaupten, der Regenwasserdurchlass sei am 9.8.2007 zu 50 % verlandet gewesen. Dadurch habe das von oberhalb des Durchlasses kommende Wasser nicht abfließen können, so dass es sich zurückgestaut und schließlich ihren Keller überflutet habe. Die Kläger sind der Ansicht, dass die Beklagte für die Reinigung und Wartung des Durchlasses zuständig ist.
Die Beklagte rügt die Unzulässigkeit der Klage, die zunächst gegen den "Bürgermeister" der Stadt E2 gerichtet war.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass nicht sie, sondern die für die L # zuständige Landesbehörde auch für die Wartung des Regenwasserdurchlasses zuständig war. Sie ist weiter der Ansicht, es habe ein Fall höherer Gewalt vorgelegen, für den sie nicht hafte. Sie bestreitet die behauptete Verlandung des Regenwasserdurchlasses. Unabhängig davon sei sein Auslass durch die Wurzeln einer beim Bau der Umpflasterung der L # entfernten Erle stark zugewachsen gewesen, so dass allein deswegen schon das Überschwemmungsereignis eingetreten wäre. Sie ist weiter der Ansicht, dass die Kläger ein überwiegendes Mitverschulden treffe, weil sie ihr Haus nicht hinreichend vor Überschwemmungen geschützt hätten. Sie bestreitet die geltend gemachten Schadenspositionen.
Wegen des Weiteren Sach-und Streitstandes, sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, Bl. 72 ff. d.A., verwiesen.
Das LG hat ein Grundurteil erlassen, mit dem es den Anspruch der Kläger dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat. Bei verständiger Auslegung der Klageschrift sei von Anfang an klar gewesen, dass die Klage sich gegen die Stadt E2 gerichtet habe, auch wenn zunächst der "Bürgermeister der Stadt E2, Tiefbauamt" als Beklagter bezeichnet worden sei. Es bestehe ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte dem Grunde nach aus § 823 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hafte nach allgemeinem Deliktsrecht und nicht aus Amtspflichtverletzung. Hinsichtlich des Unterhaltungspflichtigen sei zwischen dem Bauwerk und dem Gewässer selbst zu trennen. Für das Gewässer sei die Beklagte nach § 91 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LWGNW unterhaltungspflichtig. Nach dem Ergebnis im selbständigen Beweisverfahren 2 OH 26/07 sei der Rohrdurchlass so verstopft gewesen, dass eine hinreichende Wasserabführung nicht mehr gewährleistet gewesen sei, was zur Überschwemmung im Hause der Kläger geführt habe...