Leitsatz (amtlich)

1. Die Berufung auf die Versäumung einer Frist zur Gläubigeranfechtung kann als widersprüchliches Verhalten auch dann treuwidrig sein, wenn der Anfechtungsgegner nicht arglistig gehandelt, aber den Gläubiger durch Erklärung, auf die Fristeinhaltung zu verzichten, von der rechtzeitigen Erhebung der Anfechtungsklage abgehalten hat.

2. Auf die Rückzahlung gesellschafterbesicherter Drittdarlehen ist § 6 AnfG nicht anwendbar.

3. Ein eigenkapitalersetzender Charakter gesellschafterbesicherter Darlehen hat auch bei der Beurteilung der Unentgeltlichkeit i.S.v. § 4 AnfG außer Betracht zu bleiben.

 

Normenkette

AnfG §§ 4, 6; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 18 O 526/00)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.12.2005; Aktenzeichen IX ZR 190/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 21.6.2001 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des LG Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor in derselben Höhe Sicherheit leisten.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Titelgläubiger der … P.-Handelsgesellschaft mbH in … Die Schuldnerin stellte im November 1999 ihren Geschäftsbetrieb ein und gab ihre Geschäftsräume in … auf. Nach vergeblichen Vollstreckungsversuchen nimmt der Kläger nunmehr die Beklagte zu 1) als frühere Gesellschafterin der Schuldnerin und die Beklagte zu 2) als Erbin des persönlich haftenden Gesellschafters der Beklagten zu 1) G.B. aus dem Gesichtspunkt der Gläubigeranfechtung auf Zahlung in Anspruch. Der am 2.1.2000 verstorbene G.B. war zugleich alleinvertretungsberechtigter, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der Schuldnerin gewesen.

Die Gläubigeranfechtung betrifft folgenden Sachverhalt:

Im September 1999 führte die Schuldnerin mit aus einem Auslandsgeschäft eingehenden Zahlungen i.H.v. ca. 1,1 Mio. US $ einen Kontokorrentkredit bei der Nationalbank in … zurück, für den die Beklagte zu 1) Grundschulden als Sicherheit bestellt und G.B. die persönliche Mithaft übernommen hatte. Daraufhin bewilligte die Nationalbank die Löschung der Grundschulden, die am 5.10., 7.10. und – wie mit der Berufungsbegründung vorgetragen – 18.11.1999 erfolgten.

Der Kläger hat in der Tilgung des Kredits der Nationalbank eine vermeintlich nach § 6 Ziff. 2. AnfG anfechtbare Befriedigung eines eigenkapitalersetzend besicherten Darlehens i.S.v. § 32a Abs. 2 GmbHG gesehen, die überdies gem. § 4 AnfG als unentgeltliche Leistung, jedenfalls aber gem. § 3 Abs. 2 S. 1 AnfG anfechtbar sei. Auch hafteten ihm die Beklagte gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 283c StGB auf Schadensersatz.

Gegenüber dem Verstreichen der einjährigen Anfechtungsfrist nach § 6 Ziff. 2. AnfG hat er sich auf einen von der Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 19.7.2000 erklärten Verzicht auf die Erhebung dieses Einwandes berufen.

Die Beklagten und ihr Streithelfer, Sohn und früherer Berater von G.B. haben eine Anfechtbarkeit der Kredittilgung unter Berufung darauf in Abrede gestellt, die … P.-Handelsgesellschaft mbH sei nicht überschuldet gewesen, dem Freiwerden der Grundschulden liege keine Vereinbarung zwischen der Schuldnerin und der Beklagten zu 1) zugrunde, dies sei vielmehr bloßer Reflex der Kredittilgung ggü. der Nationalbank, schließlich sei die Anfechtungsfrist des § 6 Ziff. 2. AnfG nicht eingehalten.

Das LG hat die in der Hauptsache auf Zahlung von 86.478,14 DM gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Für eine Anfechtbarkeit nach § 3 Abs. 2 AnfG fehle es an einem Vertrag i.S.d. Vorschrift zwischen dem Schuldner und der Erstbeklagten, nämlich an einer auf einen Erwerbsvorgang zwischen diesen Beteiligten gerichteten Willensübereinstimmung. Es liege auch keine unentgeltliche Leistung der Schuldnerin an die Beklagte zu 1) vor, weil Letztere ihr ggü. nicht zur Darlehenstilgung verpflichtet gewesen sei; insoweit unterscheide sich der vorliegende Sachverhalt von dem der Entscheidung des BGH (BGH NJW 1999, 1549). Die Anfechtbarkeit nach § 6 Ziff. 2. AnfG scheitere daran, dass der Kläger eine Kreditunwürdigkeit der Schuldnerin zum Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung nicht dargelegt habe, i.Ü. die einjährige Anfechtungsfrist verstrichen sei, ohne dass die Beklagten mit ihrer Erklärung vom 19.7.2000 den Kläger arglistig an der Fristeinhaltung gehindert hätten.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter. Er rügt ein Verkennen des Vorliegens der Anfechtungsvoraussetzungen nach §§ 3 Abs. 1, 2, 4 und 6 AnfG durch das LG und vertieft dazu sein erstinstanzliches Vorbringen.

Insbesondere zu § 6 AnfG hält der Kläger daran fest, die Voraussetzungen für den eigenkapitalersetzenden Charakter der von der Erstbeklagten gegebenen Darlehenssicherungen schon erstinstanzlich ausreichend dargelegt zu haben. Die Schuldnerin sei ausweislich der Bilanz zum 31.12.1996 (Bl. 26) schon zu jenem Stic...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge