Entscheidungsstichwort (Thema)
VGB: "Notwendige" Reparaturkosten bei so genannten Schönheitsschäden
Leitsatz (amtlich)
1. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnimmt der Klausel zur Entschädigungsberechnung in den VGB, mit der der Versicherer Ersatz der "notwendigen" Reparaturkosten verspricht, eine Begrenzung auf die zur Schadenbeseitigung erforderlichen Kosten. Darüber hinaus wird er eine Notwendigkeit verneinen in eng begrenzten Ausnahmefällen, in denen die Kosten der Beseitigung einer Substanzbeeinträchtigung der versicherten Sache völlig unverhältnismäßig sind, so dass kein Gebäudeeigentümer vernünftigerweise eine Schadensbeseitigung vornehmen würde.
2. Ob dem Versicherungsnehmer der Gebäudeversicherung bei einer bloßen optischen Beeinträchtigung (Schönheitsschaden) ein Anspruch auf Ersatz der Erstattung von Reparaturkosten zusteht oder er auf eine bloße Wertminderung verwiesen werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls.
3. Für den Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers sind nicht insgesamt die Maßstäbe anzuwenden, die im Haftpflichtrecht für die Begrenzung des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten gelten.
Verfahrensgang
LG Detmold (Urteil vom 30.01.2015) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 30.01.2015 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des LG Detmold unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.231,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2013 zu zahlen.
Die Klage bleibt im Übrigen abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen zu 56 % dem Kläger und zu 44 % der Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger begehrt vom beklagten Versicherer weitere Entschädigungsleistungen aus Anlass eines Hagelschadenereignisses vom 19.06.2013.
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung unter Geltung der VGB 99 oder 2008. Versichert sind die auf dem Grundstück ... gelegenen Baulichkeiten - zwei in eingeschossiger Bauweise errichtete Flachdachbauten - zum gleitenden Neuwert gegen die Risiken Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel. Auf der Rückseite der versicherten Gebäude befinden sich ingesamt drei im Schadenzeitpunkt rund vier Jahre alte Aluminium-Rolltore, eines vor einer Werkstatt, die beiden anderen vor zwei zu Wohnzwecken genutzten Räumlichkeiten, wobei die letztgenannten Rolltore als Jalousien genutzt werden.
Der Kläger meldete der Beklagten mit Schadenanzeige vom 20.06.2013 (GA 10 f.) ein Hagelschadenereignis vom vorangegangenen Tag, welches u.a. zu einer Beschädigung der Garagentore geführt habe. Über die Kosten eines Austauschs der Garagentore, die unstreitig Vorschäden in Form von Einschusslöchern bzw. Farbabschürfungen aufwiesen, verhalten sich zwei Angebote der Fa. A vom 28.06. bzw. 16.07.2013 (GA 12 f.), welche sich auf netto 2.766,00 EUR bzw. 2.858,00 EUR, insgesamt mithin netto 5.624,00 EUR, belaufen.
Mit einem an die vom Kläger beauftragte Versicherungsmaklerin gerichteten Schreiben vom 08.08.2013 (nach GA 15) wies die Beklagte darauf hin, dass an den Garagentoren lediglich eine optische Beeinträchtigung entstanden sei. Sie regulierte in der Folgezeit den Schaden an den Rolltoren mit 584,23 EUR. Der Kläger, der dieser Auffassung bereits mit Schreiben vom 04.08.2013 (GA 14) entgegen getreten war, forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 21.08.2013 (GA 15) unter Fristsetzung bis zum 30.08.2013 zur Zahlung von 6.108,33 EUR - dem sich nach Zahlung der Beklagten verbleibenden Bruttobetrag der Angebote A - sowie zur Ausgleichung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten auf. Die Beklagte hielt mit Schreiben vom 21.08.2013 an ihrer Regulierungsentscheidung fest.
Mit seiner Teilklage hat der Kläger erstinstanzlich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 5.039,77 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten begehrt.
Er hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass die Beklagte ihn nicht auf einen Wertausgleich für eine lediglich optische Beeinträchtigung verweisen könne. Demgegenüber hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass sie angemessen reguliert habe. Sie hat geltend gemacht, dass die durch das Schadenereignis verursachten Schäden kaum auffallen würden, die Funktionsfähigkeit der Tore durch sie nicht beeinträchtigt sei und die nur bei einem Betrachtungsabstand von weniger als fünf Metern überhaupt erkennbaren Dellen im Zusammenhang mit der Vermietbarkeit des Objekts unerheblich seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 30.01.2015 (GA 120 ff.) verwiesen.
Das LG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen D vom 13.09.2014 (GA 67 ff.), welches der Sachverständige in einem Ortstermin am 16.01.2015 erläutert hat (GA 116 ff.), sowie durch richterlichen Augenschein.
Es hat alsdann mit dem angefochtenen Ur...