Leitsatz (amtlich)
Anfechtungsklagen gegen die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH sind regelmäßig innerhalb eines Monats zu erheben. Dass diese Klagefrist nur aus einer „Leitbildfunktion” des § 246 Abs. 1 AktG herzuleiten ist, bedeutet nicht, dass eine nur geringfügige Überschreitung dieser Frist immer, also auch beim Fehlen besonderer Umstände, die die Fristüberschreitung rechtfertigen können, unschädlich ist.
Verfahrensgang
LG Siegen (Urteil vom 17.04.2003; Aktenzeichen 7 O 166/02) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 17.4.2003 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Siegen wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)
I. Der Kläger war Gründungsgesellschafter der beklagten GmbH. In einer Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 25.9.2002 wurde mit den Stimmen der übrigen Gesellschafter die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers beschlossen. An der Versammlung nahm als Vertreter des Klägers dessen erstinstanzlicher Prozessbevollmächtigter teil. Das Versammlungsprotokoll wurde diesem mit Schreiben vom 6.10.2002, das am 8.10.2002 einging, übersandt. Der Kläger hält den Beschluss über die Einziehung für anfechtbar. Die entspr. Klageschrift ist am 31.10.2002 beim LG eingereicht worden. Das LG hat die Klage wegen Verfristung, die es maßgeblich mit einer Verzögerung bei der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses begründet hat, abgewiesen.
II. Die zulässige Berufung hat i.E. keinen Erfolg, weil die Anfechtungsfrist durch die Einreichung der Klage am 31.10.2002 nicht gewahrt worden ist.
Nach der Rspr. des BGH (BGH v. 14.5.1990 – II ZR 126/89, BGHZ 111, 224 [225 f.] = MDR 1990, 902 = GmbHR 1990, 344; ferner v. 1.6.1987 – II ZR 128/86, BGHZ 101, 113 [117] = AG 1988, 15 = GmbHR 1988, 18 = MDR 1987, 1004; v. 21.3.1988 – II ZR 308/87, BGHZ 104, 66 [71] = AG 1988, 233 = GmbHR 1988, 304 = MDR 1988, 754; Urt. v. 17.10.1988 – II ZR 18/88, MDR 1989, 332 = AG 1989, 95 = GmbHR 1989, 120 = ZIP 1989, 634 [637]) ist auf Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH § 246 Abs. 1 AktG nicht in der Weise analog anzuwenden, dass die Monatsfrist streng einzuhalten ist. Vielmehr gilt eine von Fall zu Fall zu bestimmende „angemessene Frist”, die sich am „Leitbild” des § 246 Abs. 1 AktG zu orientieren hat, keinesfalls aber kürzer als die für das Aktienrecht geltende Frist sein darf. Auch wenn der Anfechtungskläger im GmbH-Recht danach nicht in jedem Fall an die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG gebunden ist, hat er doch die Anfechtungsklage mit der ihm zumutbaren Beschleunigung zu erheben (BGH v. 1.6.1987 – II ZR 128, 86, BGHZ 101, 113 [117] = MDR 1987, 1004 = AG 1988, 15 = GmbHR 1988, 18; BGH v. 14.5.1990 – II ZR 126/89, BGHZ 111, 224 [226] = MDR 1990, 902 = GmbHR 1990, 344). Bei einer Überschreitung dieser Frist kommt es darauf an, ob zwingende Umstände (BGH v. 1.6.1987 – II ZR 128/86, BGHZ 101, 113 [117] = MDR 1990, 902 = GmbHR 1990, 344 und Urt. v. 17.10.1988 – II ZR 18/88, MDR 1989, 332 = AG 1989, 95 = GmbHR 1989, 120 = ZIP 1989, 637, m.w.N) den Gesellschafter an einer früheren Klageerheburg gehindert haben. Die Bindung des Gesellschafters an die aktienrechtliche Anfechtungsfrist kann dann unzumutbar sein, wenn er längere Zeit benötigt, um schwierige tatsächliche oder rechtliche Fragen zu klären, die für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage bedeutsam sind (BGH v. 14.5.1990 – II ZR 126/89, BGHZ 111, 224 [226] = MDR 1990, 902 = GmbHR 1990, 344). Darüber hinaus findet die Ablehnung einer strikten Analogie des § 246 Abs. 1 AktG im GmbH-Recht ihre Rechtfertigung darin, dass dem Gesellschafter der typischerweise mehr personalistisch geprägten, auf das zwischen den Gesellschaftern bestehende Vertrauen angewiesenen GmbH hinreichende Zeit gelassen werden soll, zu einer einvernehmlichen Lösung des Konflikts mit seinen Mitgesellschaftern zu gelangen (BGH v. 14.5.1990 – II ZR 126/89, BGHZ 111, 224 [225] = MDR 1990, 902 = GmbHR 1990, 344; v. 21.3.1988 – II ZR 308/87, BGHZ 104, 66 [71] = MDR 1988, 754 = AG 1988, 233 = GmbHR 1988, 304). Je weniger personalistisch im konkreten Fall die Gesellschaft geprägt ist und je weniger schwierige Fragen geklärt werden müssen, um so mehr gewinnt das Moment der gebotenen Beschleunigung Gewicht (BGH v. 14.5.1990 – II ZR 126/89, BGHZ 111, 224 [226] = MDR 1990, 902 = GmbHR 1990, 344; vgl. auch Scholz/Schmidt, 7. Aufl., GmbHG § 45 Rz. 143).
Nach diesen Grundsätzen ist die Anfechtungsklage i.d.R. innerhalb eines Monats zu erheben. Eine Erweiterung der Frist kommt beim Vorliegen besonderer Umstände in Betracht. Dagegen ist es nicht geboten, eine Fristüberschreitung um wenige Tage oder eine Woche immer auch dann zuzulassen, wenn es an Besonderheiten fehlt. Die Anfechtungsfrist wahrt das Interesse der Gesellschaft an der Bestandskraft ihrer Beschlüsse. Deshalb muss der Gesellschafter die ihm erkennbaren Mängel...