Leitsatz (amtlich)
1. Die Erklärung des Bieters gegenüber einem öffentlich-rechtlichen Auftraggeber, dass er einer Verlängerung der Zuschlagsfrist zustimme, enthält unter Berücksichtigung des Nachverhandlungsverbots (§ 24 Nr. 3 VOB/A) weder ein stillschweigendes Angebot zu einer Preisanpassung noch einen Verzicht auf ein Mehrpreisverlangen.
2. Die Zustimmungserklärung schafft im Rahmen der Vertragsanbahnung lediglich eine Vertrauensgrundlage für den Auftraggeber, dass der Bieter weiterhin bereit ist, den Auftrag entsprechend seinem Angebot auszuführen, soweit sich dessen Grundlagen nicht nachweislich geändert haben.
3. Die auf das ursprüngliche Angebot bezogene Zuschlagserteilung stellt ein verändertes Angebot i.S.d. § 150 Abs. 2 BGB dar, wenn die zunächst geplanten Termine nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien im Zeitpunkt des Zuschlags nicht mehr vereinbart werden sollen.
4. Der Bieter kann das veränderte Angebot annehmen oder seine Annahmeerklärung hinsichtlich der Vergütung modifizieren. Das darf er unter Beachtung des vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses der Parteien nur auf der Grundlage seiner Kalkulation und den vergütungsrelevanten Veränderungen, die zwischen dem ursprünglich vorgesehenen und dem tatsächlichen Zuschlagszeitpunkt eingetreten sind.
5. Der Besteller ist in diesem Fall unter Beachtung seiner Kooperationspflicht verpflichtet, das hinsichtlich der Vergütung modifizierte Angebot anzunehmen, wenn er keinen triftigen Grund hat, es abzulehnen.
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 04.04.2005; Aktenzeichen 12 O 588/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4.4.2005 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des LG Münster abgeändert.
Die Klage wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Gründe
I. Die Klägerin hat im Jahre 2004 Bauarbeiten im Zusammenhang mit der Sanierung der rechtsseitigen Emsdeiche im Stadtgebiet der Beklagten erbracht. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt sie die Beklagte auf Zahlung von Mehrvergütung wegen geänderter Stahlpreise in Anspruch.
Durch Urteil vom 4.4.2005, auf dessen Tatbestand hinsichtlich des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien verwiesen wird, hat das LG die auf Zahlung von 72.733,16 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Hinsichtlich der für diese Entscheidung maßgeblichen Erwägungen des LG wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Gegen das landgerichtliche Urteil richtet sich die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin, die folgendes geltend macht:
Die Beklagte habe durch ihr Zuschlagsschreiben vom 2.3.2005 nicht das im Zuge der Submission von der Klägerin unterbreitete Angebot angenommen sondern vielmehr ein Angebot mit veränderten Konditionen versandt. Durch das Zuschlagsschreiben sei nämlich die ursprünglich vorgesehene und dem Angebot zugrundeliegende Bauzeit geändert worden. Die Klägerin habe wiederum dieses modifizierte Angebot durch ihr Schreiben vom 15.3.2004 nicht unverändert angenommen sondern erneut modifiziert. Der Inhalt des Schreibens vom 15.3.2004 sei sodann dadurch Vertragsinhalt geworden, dass die Beklagte die Arbeiten der Klägerin hingenommen und erst mit Schreiben vom 30.7.2004 mitgeteilt habe, dass eine Anpassung der Stahlpreise nicht erfolgen könne.
Das LG habe auch zu Unrecht eine Anwendung des § 2 Nr. 5 VOB/B abgelehnt. Soweit das LG aus dieser Vorschrift eine Verpflichtung der Klägerin hergeleitet habe, vor Vertragsschluss auf die erhöhten Stahlpreise hinzuweisen, sei dies unrichtig, weil die VOB/B erst für die Ausführung von Bauleistungen ab Vertragsschluss gelte. Außerdem seien nach Angebotsabgabe Vorbehalte hinsichtlich der angebotenen Preise aufgrund des Nachverhandlungsverbotes des § 24 Nr. 3 VOB/A unzulässig. Als die Klägerin den Bitten der Beklagten um Verlängerung der Bindefrist entsprochen habe, sei für sie auch noch nicht erkennbar gewesen, ob und wie sich Änderungen der Stahlpreise auswirken würden.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 72.733,16 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.4.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte meint, ein wirksamer Bauvertrag der Parteien sei bereits aufgrund des Zuschlagsschreibens vom 2.3.2004 zustande gekommen. Durch jenes Schreiben sei keine generelle Änderung der Ausführungsfrist erfolgt, da jene Frist schon im Angebot der Klägerin nicht datumsmäßig festgelegt worden sei. Durch das Zuschlagsschreiben sei lediglich der Zwischentermin für die Fertigstellung eines Teilabschnitts des Bauvorhabens geändert worden. Außerdem sei bereits die Bindefristverlängerungserklärung der Klägerin als Angebot auf entsprechende Verlängerung der Ausführungsfristen auszulegen. Jenes Angebot sei von der Beklagten durch den Zuschlag angenommen worden. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass am 08.03. 2004 eine erste Baubesprechung der Parteien stattgefunden habe. Im Rahmen dieser Besp...