Leitsatz (amtlich)
§ 206 Abs. 1 Satz 1 VVG gilt als absolutes Kündigungsverbot für jede ordentliche oder außerordentliche Kündigung eines Krankenversicherungsvertrages i.S.v. § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG.
Abweichend von OLG Celle (Urt. v. 24.2.2011 - 8 U 157/10) ist nicht nur eine außerordentliche Kündigung des Versicherers wegen Prämienverzuges ausgeschlossen.
Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 21.10.2010; Aktenzeichen 3 O 116/10) |
LG Paderborn (Urteil vom 26.08.2010; Aktenzeichen 3 O 116/10) |
Tenor
Die Berufungen der Parteien gegen die am 26.8.2010 und 21.10.2010 verkündeten Urteile der 3. Zivilkammer des LG Paderborn werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 8 % und die Beklagte 92 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten um die Rückzahlung erbrachter Versicherungsleistungen sowie um die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Krankenversicherungs-vertrages durch die Beklagte.
Der Kläger ist niedergelassener Zahnarzt, der bei der Beklagten u.a. mit Wirkung ab 1.8.2002 einen Krankenversicherungsvertrag nach dem Tarif EKNA 1000 (für Ärzte und Zahnärzte) abschloss. Für diesen wurden die Rahmen-bedingungen RB/KK 94 und die Tarifbedingungen TB/KK 99 vereinbart (Kopie s. Anlage B 1 zur Klageerwiderung). Anfang 2007 begab sich der Kläger bei seinem Kollegen Dr. Kersting in Behandlung, brach diese aber später ab und ließ sich von Mai bis Juli 2007 durch den Zeugen Dr. P weiterbehandeln. Für diese Behandlung, die in der eigenen Praxis des Klägers in Höxter stattfand, reichte er eine unter dem 25.7.2007 gefertigte Rechnung auf den Namen des Dr. P über insgesamt 9.117,18 EUR bei der Beklagten ein (Kopie s. Anlage 1 zur Klageschrift). Diese leistete darauf unter Berücksichtigung eines Eigenanteils des Klägers insgesamt 6.120,46 EUR. Eine entsprechende Zahlung an den Behandler erfolgte nicht.
Im Rahmen einer späteren Überprüfung dieser Rechnung erhielt die Beklagte eine Mitteilung der Zahnärztekammer H vom 3.8.2009. Aus dieser ergab sich, dass Dr. P zwischen dem 01.01. und dem 30.9.2007 nicht niedergelassen war. Gestützt auf § 4 (2) der AVB, wonach dem Versicherten die Wahl unter den niedergelassenen approbierten Ärzten und Zahnärzten frei steht, forderte die Beklagte daraufhin ihre Leistungen von dem Kläger zurück und kündigte die Krankenversicherung mit Schreiben vom 5.8.2009. Der Kläger forderte die Beklagte sodann mit anwaltlichem Schreiben vom 4.2.2010 auf anzuerkennen, dass der Versicherungsvertrag fortbesteht. Daneben machte er außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 493,26 EUR geltend.
Der Kläger hat behauptet, seine Mitarbeiterin G habe die Rechnung für den Zeugen Dr. P gefertigt und diesem zur Prüfung zugeleitet. Allerdings habe Dr. P damals Probleme bei der Zustellung von Postsendungen gehabt, so dass ihn der Rechnungsentwurf nicht erreicht habe. Mangels einer Rückmeldung sei seine Mitarbeiterin aber davon ausgegangen, dass die Rechnung so in Ordnung sei.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die außerordentliche Kündigung des Krankenversicherungsvertrages berechtigt sei, weil der Kläger selbst eine Rechnung auf den Namen des Zeugen erstellt und damit zielgerichtet den Eindruck erweckt habe, dass ihm Auslagen in entsprechender Höhe entstanden seien.
Durch Urteil der Kammer vom 26.8.2010, ergänzt hinsichtlich der vom Kläger verlangten Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung durch Urteil des Vorsitzenden als Einzelrichter vom 21.10.2010, hat das LG der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Versicherungsverhältnis bezüglich der Krankenversicherung nicht durch die Kündigung vom 5.8.2009 beendet worden sei. Ferner hat es die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 493,26 EUR nebst Zinsen verurteilt. Auf die Widerklage der Beklagten hin hat es den Kläger zur Rückzahlung von 6.120,46 EUR nebst Zinsen verurteilt.
Zur Begründung hat das LG zusammengefasst Folgendes ausgeführt:
Die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung sei begründet. Zwar sei es entsprechend § 242 BGB durchaus möglich, auch einen privaten Kranken-versicherungsvertrag bei Vorliegen eines wichtigen Grundes fristlos zu kündigen. Das setze aber voraus, dass dem Versicherer ein Festhalten am Vertrag bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien nicht zugemutet werden könne. Das sei hier nicht der Fall. Der Kläger habe nicht beabsichtigt, sich persönlich durch die Behandlung seitens des hierzu als Zeugen vernommenen Dr. P zu bereichern. Der Zeuge habe die in der Rechnung aufgelistete Behandlung wirklich durchgeführt. Aufgrund der Unwirksamkeit der ...