Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein „Auge und Ohr” bei kollusivem Zusammenwirken von Agent und VN
Leitsatz (amtlich)
1. Die „Auge und Ohr-Rechtsprechung” gilt nicht bei einem kollusiven Zusammenwirken von Agent und VN.
2. Ein VN handelt arglistig, wenn er weiß oder erkennt und billigt – bedingter Vorsatz reicht aus –, der Agent werde erhebliche Umstände dem Versicherer nicht mitteilen, um diesen zur Annahme des Antrags zu bewegen.
Normenkette
VVG § 16 ff.; BGB § 123
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 2 O 159/99) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 31.8.2000 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 15.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beide Parteien können die Sicherheit auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer als Zoll- oder Steuerbürgin zugelassenen deutschen Bank erbringen.
Tatbestand
Der Kläger, damals Geschäftsführer des Unternehmens … GmbH, beantragte für sich als Versicherten im Dezember 1994 eine Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bei der Beklagten. Nach dem Antrag, wegen dessen vollständigen Inhalts auf die Ablichtungen Blatt 73 und 74 der Akte verwiesen wird, war eine Laufzeit des Vertrages vom 1.12.1994 bis zum 1.12.2020 vorgesehen. Die anfängliche Versicherungssumme für den Todesfall belief sich auf 53.898 DM. Ab dem 18. Lebensversicherungsjahr sollte die Versicherungssumme bis auf schließlich 107.795 DM am Ende des 26. Versicherungsjahres steigen. Der Jahresbeitrag für beide Versicherungen lag bei 3.000 DM. Für den Eintritt des Versicherungsfalls sah die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung keine eigenständige Rente, sondern nur Beitragsbefreiung für die Lebensversicherung vor.
Dieser Antrag wurde aufgenommen durch den Zeugen J. D. der für die Streitverkündete tätig war.
Das Antragsformular enthielt neben den reinen Vertragsdaten auf seiner Seite 2 auch eine Reihe von Fragen den Gesundheitszustand des Klägers und etwaige andere Versicherungen betreffend. Diese Fragen lauten u.a.:
2. Bestehen oder bestanden Krankheiten, Verletzungen, Gebrechen, Behinderungen, körperliche oder geistige Fehler oder Schäden, chronische Leiden oder Unfallfolgen?
3. Waren in den letzten 5 Jahren ärztliche Behandlungen, regelmäßige Einnahme von Medikamenten, Krankenhausaufenthalte oder Heil- bzw. Kuraufenthalte erforderlich?
Wenn Sie die Fragen der Ziffern 2 und/oder 3 bejaht haben, benötigen wir folgende Angaben:
Art der Krankheit, Verletzung usw. Wer/wann? Wie oft? Wie lange? Heutige Folgen?
Name und Anschriften der behandelnden Ärzte, Krankenhäuser, Heilstätten usw.?
4. Welcher Arzt ist über ihre Gesundheitsverhältnisse am besten unterrichtet? …
10. Sind bei anderen Gesellschaften Lebensversicherungsverträge abgeschlossen oder beantragt worden? Wenn ja, Name der Gesellschaft, Versicherungssumme …
13. Besteht für Sie schon eine Versicherung für den Fall der Berufsunfähigkeit bzw. Invalidität oder für den Pflegefall, ist eine solche beantragt oder haben Sie sonstige Leistungen für den Fall der Berufsunfähigkeit oder den Pflegefall zu erwarten?
BU-Jahresrente DM?
Unternehmen?
Auf dem Antragsformular, das die Beklagte erreichte, waren die Fragen 2 und 3 durch Ankreuzen mit „nein” beantwortet. Die Frage 4 war mit „Dr. S., H. beantwortet. Die Frage 10 war mit „DBV 140.000 DM” beantwortet und die Frage 13 mit „BU Jahresrente 2.800 DM, Unternehmen: DBV”
In dem vorgenannten Antragsformular war ferner im Antragskopf der Beruf des Klägers mit „Geschäftsführer” und die dazugehörige Branche mit „Wirtschaftsprüfer” angegeben.
Die Beklagte nahm den Antrag an und erteilte einen entsprechenden Versicherungsschein wegen dessen Einzelheiten auf die Ablichtungen Blatt 10 ff. der Akte verweisen wird. Wegen der zugehörigen Bedingungen wird auf die Ablichtungen Blatt 58 bis 64 der Akte verwiesen.
Mit Schreiben vom 14.9.1998 übersandte der Kläger der Beklagten eine ärztliche Bescheinigung des Neurologen Dr. med. A vom 11.9.1998 mit der Diagnose „multiple Sklerose” und beantragte Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Im Rahmen der daraufhin erfolgenden Leistungsprüfung holte die Beklagte ärztliche Unterlagen ein und brachte in Erfahrung, dass der Kläger erstmals 1976 wegen krankhafter Zustände behandelt worden ist, die als erster Schub der multiplen Sklerose angesehen werden können. Sie erklärte deshalb mit Schreiben vom 27.10.1998, wegen dessen vollständigen Wortlauts auf die Ablichtungen Blatt 17 und 18 der Akte verwiesen wird, den Rücktritt von Lebensversicherungsvertrag und Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Den Rücktritt stützt sie zusätzlich darauf, dass der Kläger auch verschwiegen habe, bereits 1981 wegen einer Diskopathie im Lendenwirbelsäulenbereich (L 4/L 5) behandelt worden zu ...