Verfahrensgang
LG Siegen (Urteil vom 05.02.2013; Aktenzeichen 6 O 50/12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 5.2.2013 verkündete Teil- und Grundurteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Siegen wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Gemäß § 540 I ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts Anderes ergibt.
Mit der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung bringt die Beklagte vor, dass sie erst jetzt erfahren habe, dass es offenbar schon seit etwa 20 Jahren illegale Kartellpreisabsprachen zwischen Brauereien gebe, an denen die Klägerin beteiligt sei. Es sei deshalb möglich, dass sie, die Beklagte, das Bier von der Klägerin zu einem unangemessen hohen Preis bezogen habe; die Klägerin könne ihren angeblichen Schaden nicht auf Grundlage eines überteuerten Bierpreises berechnen. Der vorliegende Prozess sei bis zum Abschluss des laufenden Ermittlungsverfahrens des BKartA auszusetzen.
Ferner hafte die Beklagte entgegen der Ansicht des LG nicht dem Grunde nach auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, weil keine Unmöglichkeit ihrer Bierbezugspflicht gegenüber der Klägerin, sondern nur Verzug vorliege; insoweit fehle es jedoch an einer Fristsetzung der Klägerin zur Nachholung des Bierbezugs.
Im Übrigen führt die Beklagte weiter zu ihren schon erstinstanzlich vorgebrachten Einwänden gegen eine Schadensersatzhaftung zum Grund und zur Höhe aus.
Die Beklagte beantragt,
1. das angefochtene Teil- und Grundurteil zu Ziff. I Satz 2 abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen,
2. hilfsweise das angefochtene Urteil zu Ziff. I Satz 1 abzuändern und die Klage i.H.v. 65.421,92 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.4.2012, i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 15.011,18 EUR für die Zeit vom 13.4.2012 bis zum 26.8.2012 und Zinsen i.H.v. 3 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 15.011,18 EUR seit dem 27.8.2012 abzuweisen,
3. weiter hilfsweise das angefochtene Urteil zu Ziff. I Satz 1 abzuändern und Klage i.H.v. 63.721,92 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.4.2012, i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 16.711,18 EUR für die Zeit vom 13.4.2012 bis zum 26.8.2012 und Zinsen i.H.v. 3 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 16.711,18 EUR seit dem 27.8.2012 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und tritt dem Berufungsvorbringen namentlich dahin entgegen, dass sie eine Beteiligung der Klägerin an Kartellabsprachen in Bezug auf das hier streitgegenständliche Fassbier bestreitet.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen zu Protokoll Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
A. Der Berufungshauptantrag hat keinen Erfolg, weil das Grundurteil gegen die Beklagte zu Recht ergangen ist.
Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung des Bierlieferungsvertrages vom 26.1./31.1.2007 durch die Beklagte zu (§§ 283, 281 I, 280 I BGB i.V.m. Nr. 2 II des Vertrages). Gemäß Nr. 2 II des Vertrages hat sich die Beklagte ab dem 1.2.2007 für 10 Jahre zur Abnahme von insgesamt 800 hl X Fassbier und dabei zu einem jährlichen Mindestbezug von 80 hl Fassbier verpflichtet. Die Beklagte hat unstreitig die Mindestmenge jeweils in den Jahren 2008 bis 2012 nicht abgenommen.
1. Das LG hat deshalb insoweit den (hilfsweise) von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch aufgrund Unmöglichkeit dem Grunde nach für gerechtfertigt angesehen. Dem ist beizupflichten. Mit Ablauf des jeweiligen Jahres ist die Erfüllung der Bierabnahmepflicht unmöglich geworden, weil sie für die Beklagte nicht mehr nachholbar war (§ 275 I BGB). Der Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, dass sie lediglich in Verzug geraten sei; auf eine Fristsetzung der Klägerin kommt es somit nicht an.
Bereits der Vertragswortlaut spricht dafür, dass die Beklagte mindestens 80 hl Fassbier im Jahr körperlich abzunehmen hatte, so dass etwa Bestellungen noch am 31.12. des Jahres, die erst später hätten erfüllt werden können, nicht ausreichten. Die Auslegung nach dem beiderseitigen objektiven Erklärungsempfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) ergibt nichts Abweichendes. Vielmehr machen die Umstände und die zutage getretenen Parteiinteressen deutlich, dass die Vertragsparteien den Sinn der Regelung in der Sicherung genau festgelegter Umsatzzahlen der Klägerin für jedes Jahr gesehen haben, deren Zweck nach Ablauf des Jahres schl...