Leitsatz (amtlich)
1. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht ist bei Verlassen der Unfallstelle i.S.v. § 142 Abs. 1 StGB auch dann gegeben, wenn der Versicherer zeitnah unterrichtet wird.
2. Unentschieden bleibt, ob es in einem solchen Fall am erheblichen Verschulden fehlen kann (Beweislast VN, Beweis nicht erbracht).
Normenkette
AKB § 7; VVG § 6
Verfahrensgang
LG Paderborn (Aktenzeichen 4 O 59/02) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 1.8.2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Paderborn wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger macht nach einem Verkehrsunfall einen Anspruch aus einer bei der Beklagten genommenen Vollkaskoversicherung geltend.
Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – teilweise in Ergänzung seines bisherigen Vortrags – erklärt hat, verlor er am Sonntag, den 6.5.2001, gegen 13.30 Uhr bei starkem Regen auf der Autobahn die Kontrolle über den von ihm gesteuerten Porsche; der Wagen kollidierte mit der rechten Leitplanke, drehte sich und kam in einiger Entfernung von der Kollisionsstelle schließlich auf dem Standstreifen – gegen die Fahrtrichtung – zu stehen; der Kläger stieg aus und stellte fest, dass in Nähe dieses Fahrzeugstandortes Beschädigungen der Leitplanke nicht zu sehen waren; er fuhr daraufhin zuerst auf den nächsten Autobahnparkplatz; von dort setzte er seine Fahrt sodann fort. Tatsächlich war die Leitplanke dort, wo der Wagen gegen sie gestoßen war, erheblich beschädigt. Die Reparaturkosten betrugen über 3.000 DM. Der Schaden an dem Fahrzeug belief sich auf über 21.000 DM.
Der Kläger hat behauptet, er habe von dem Parkplatz die Schadenshotline der Beklagten angerufen; ihm sei gesagt worden, er solle den Unfall am Montag dem zuständigen Versicherungsagenten melden. Die Beklagte hat ein solches Telefonat bestritten und geltend gemacht, sie sei leistungsfrei, da der Kläger durch unerlaubtes Entfernen vom Unfallort den Tatbestand des § 142 StGB verwirklicht und damit seine Obliegenheit zur Unfallaufklärung verletzt habe.
Das LG hat die Klage nach Vernehmung von Zeugen abgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz und der Begründung des LG wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter. Er meint, das LG habe die Aussagen der Zeugen falsch gewürdigt.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien in dieser Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
II. Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das LG einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte verneint.
Die Beklagte ist gem. § 7 V Abs. 4 der zwischen den Parteien vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) und § 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei.
1. Der Kläger hat die Aufklärungsobliegenheit des § 7 I Abs. 2 S. 3 AKB verletzt.
Bereits das Verlassen der Unfallstelle stellt nach der st. Rspr. des BGH (vgl. etwa BGH v. 1.2.1999 – IV ZR 71/99, MDR 2000, 265 = VersR 2000, 222 ff. m.w.N.), welcher der Senat folgt, eine solche Obliegenheitsverletzung dar, wenn dadurch der objektive und subjektive Tatbestand des § 142 StGB erfüllt wird. Diese Voraussetzung ist gegeben. Der Kläger hat den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB verwirklicht.
Er war Beteiligter eines Unfalls und entfernte sich vom Unfallort, bevor er eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hatte, ob jemand bereit sei, zugunsten des geschädigten Trägers der Straßenbaulast Feststellungen zur Person des Klägers und zur Unfallverursachung zu treffen. Dabei braucht nicht entschieden zu werden, wie lange der Kläger hätte warten müssen; er wartete gar nicht, sondern stieg nur kurz aus und fuhr dann auf den Parkplatz, welcher nicht mehr zum Unfallort i.S.d. § 142 Abs. 1 StGB gehörte.
Der Kläger nahm die soeben genannten Umstände zumindest billigend in Kauf. Der Senat ist insb. auch davon überzeugt, dass der Kläger es für zumindest ernstlich möglich hielt, dass die Leitplanke dort, wo das Fahrzeug gegen sie gestoßen war, nicht nur unerheblich geschädigt war, und billigend in Kauf nahm, den Unfallort trotz einer solchen Schädigung zu verlassen. Der Kläger sah die starke Beschädigung an dem Fahrzeug, welche eine jedenfalls nicht nur unerhebliche Beschädigung der Leitplanke nahe legte. Dass der Kläger dies ebenso beurteilte, ergibt sich schon daraus, dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem LG erklärt hat, der Wagen sei vielleicht 100 oder 150 m nach der Kollision mit der Leitplanke zu stehen gekommen; er, der Kläger, sei „nicht mehr das ganze Stück zurückgegangen”; es habe „ja geregnet”. – Ein solcher bedingter Vorsatz genügt zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes des § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB.
Der Kläger hat auch nicht berechtigt oder entschuldigt de...