Leitsatz (amtlich)
1. Zur Haftung der Audi AG aus §§ 826, 31 BGB im Zusammenhang mit in Fahrzeugen der Marke Audi serienmäßig eingesetzten, von der Volkswagen AG produzierten Dieselmotoren vom Typ EA 189, deren Motorsteuerung mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ("Umschaltlogik", "Prüfstandserkennungssoftware") versehen ist (Anschluss u. a. an OLG München, Urteil vom 30.11.2020 - 21 U 3457/19 sowie nachfolgend BGH, Urteil vom 25.11.2021 - VII ZR 238/20).
2. Der Erwerb des Fahrzeugs über einen "Strohmann" steht einem eigenen deliktischen Schadensersatzanspruch des "wirtschaftlichen Eigentümers", der aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung unter Ausschluss des "Strohmanns" zur Nutzung des Fahrzeugs berechtigt ist und allein dessen wirtschaftliche Lasten trägt, nicht entgegen.
3. Bei der Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität und der Berechnung des Schadens ist in einer solchen Konstellation auf die Verhältnisse des "wirtschaftlichen Eigentümers" abzustellen.
Normenkette
BGB §§ 31, 826; ZPO §§ 263, 267, 283, 291, 296a, 525 S. 1, § 533
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 4 O 73/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 03.12.2021 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund (4 O 73/18) unter Zurückweisung des weitergehenden Berufungsbegehrens teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.794,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 32.226,55 EUR für die Zeit vom 13.11.2017 bis zum 27.02.2018 und aus 25.794,37 EUR seit dem 28.02.2018 zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkw B 2,0 TDI (FIN: ...5).
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Beklagte zu 88 % und die Klägerin zu 12 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird - in Abänderung des Senatsbeschlusses vom 07.04.2022 - auf bis zu 30.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz aufgrund des sog. "Dieselskandals". Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs, eines B 2,0 TDI (130 kW/177 PS), ist die Beklagte, die den in dem Pkw verbauten und unstreitig mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ("Umschaltlogik", "Prüfstandserkennungssoftware") versehenen Motor vom Typ EA 189 allerdings nicht selbst entwickelte und produzierte, sondern von der C AG bezog. Die Parteien streiten vor diesem Hintergrund in erster Linie darum, ob Schadensersatzansprüche, insbesondere solche aus §§ 826, 31 BGB, (auch) gegen die hiesige Beklagte bestehen.
Erstinstanzlich ist die Klägerin ausschließlich aus abgetretenem Recht des von ihr auch als Zeugen benannten Herrn D vorgegangen, der das streitgegenständliche Fahrzeug am 29.03.2012 bei der E GmbH & Co. KG in F zum Preis von insgesamt 47.438,50 EUR brutto als Neuwagen bestellte.
Der Pkw wurde am 05.10.2012 erstmals - auf Herrn D - zugelassen und am 08.10.2012 ausgeliefert. Zum Zeitpunkt des Eingangs der Klage beim Landgericht Dortmund am 27.02.2018 wies er eine Laufleistung von 96.200 km auf.
Am 17.05.2013 wurde das Fahrzeug ausweislich der erstinstanzlich als Anlage in Kopie vorgelegten Zulassungsbescheinigung Teil I auf die Klägerin "umgeschrieben", die nach den erstinstanzlich zu Protokoll vom 10.07.2020 abgegebenen Erklärungen unstreitig Alleineigentümerin ist.
Zunächst mit Schreiben vom 06.11.2017 und sodann mit anwaltlichem Schreiben vom 23.11.2017 forderte die Klägerin die Beklagte, zuletzt unter Fristsetzung bis zum 07.12.2017, erfolglos zur Rücknahme des Fahrzeugs Zug um Zug gegen "Erstattung des Wertes" auf. Am 23.12.2017 trat ihr Herr D sämtliche Ansprüche gegen die Beklagte sowie die E GmbH & Co. KG ab.
Die Klägerin hat - zuletzt gestützt auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 25.11.2021 - VII ZR 238/20, VII ZR 243/20, VII ZR 257/20 und VII ZR 38/21 - sowie die diesen jeweils zugrunde liegenden Entscheidungen des OLG München - im Wesentlichen die Auffassung vertreten, ihr stehe der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB (auch) gegen die hiesige Beklagte zu, weil - wie sie behauptet hat - mindestens ein an der Entscheidung über den Einsatz des streitgegenständlichen Motors EA 189 beteiligter Repräsentant der Beklagten von der in dem Motor verbauten Umschaltlogik gewusst habe.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 47.438,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.11.2017 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs B 2,0 TDI mi...