Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters bei Tilgung einer Gesellschaftsschuld nach Insolvenzeröffnung infolge einer Inanspruchnahme aus der von der GmbH bestellten Sicherheit gegen den Gesellschafter, der dadurch von einer gleichfalls von ihm für dieselbe Schuld bestellten Sicherheit frei wird. "Sicherheitenkonkurrenz bei Doppelbesicherung"
Leitsatz (amtlich)
Wird eine Darlehnsverbindlichkeit der GmbH, für die ein Gesellschafter Sicherheit geleistet hat, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen getilgt und die Gesellschaftersicherheit dadurch frei, besteht in dieser Höhe ein Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters gegen den Gesellschafter in entsprechender Anwendung von § 135 II InsO.
Normenkette
InsO § 135 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Ziff. 5, § 143 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 1.7.2010 verkündete Urteil der 102. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger ist Verwalter in dem am 1.12.2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Q GmbH in F. Der Beklagte ist alleiniger Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin.
Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hatte die Insolvenzschuldnerin durch Kündigung nach dem Insolvenzantrag fällig gestellte Kreditverbindlichkeiten gegenüber der W-bank P (Drittgläubigerin) i.H.v. ca. 925.000 EUR auf verschiedenen Darlehnskonten. Zu deren Absicherung hatte die Insolvenzschuldnerin am 17.10.2006 der W-bank ihre Forderungen gegen Kunden und gegen ihren Kreditversicherer abgetreten. Der Beklagte hatte in 2008 und 2009 ebenfalls für diese Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber der Drittgläubigerin drei Bürgschaften im Gesamtbetrag von 548.000 EUR übernommen.
Nach Verwertung von Kundenforderungen der Insolvenzschuldnerin überwies der Kläger aus dem Erlös in der Zeit vom 3. bis 8.12.2009 an die W-bank insgesamt 453.903,34 EUR. Darauf erklärte die W-bank ihm gegenüber die Freigabe der Bürgschaften des Beklagten i.H.v. insgesamt 388.000 EUR. Der Kläger hat die Erstattung dieses Betrages nebst gesetzlichen Zinsen ab vorgerichtlicher Mahnung begehrt.
Der Beklagte hat Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin bestritten und eingewandt, das Erstattungsverlangen sei treuwidrig, da entweder die Masse auch so zur Befriedigung aller Gläubiger ausreiche oder eine Unzulänglichkeit dafür auf pflichtwidriger Verwaltung durch den Kläger beruhe. Der Kläger sei in analoger Anwendung von § 44a InsO auch nicht zur Befriedigung der W-bank berechtigt gewesen.
Das LG hat unter Klagabweisung im Übrigen der Klage zur Hauptsache i.H.v. 343.903,43 EUR aus §§ 143 III, 135 II InsO stattgegeben. In dieser Höhe sei der Beklagte durch die Zahlungen des Klägers an die W-bank von seinen Bürgschaftsverpflichtungen frei geworden. Der Kläger sei berechtigt gewesen, die W-bank zur entsprechenden Ablösung der Sicherungszessionen zu befriedigen; § 44a InsO stehe nicht im Wege einer rechtsanalogen Anwendung entgegen.
Zinsen auf die zuerkannte Hauptforderung hat das LG gem. § 143 InsO i.V.m. §§ 819, 291, 288 BGB zugesprochen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz wird auf das angefochtene Urteil einschließlich seiner Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Mit seiner Berufung begehrt der Beklagte weiterhin volle Klageabweisung.
Er vertieft seine Rechtsauffassung, § 44a InsO stehe seiner Inanspruchnahme aus § 135 II InsO für Darlehnsrückführungen durch den Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung entgegen, und verweist auf ein insoweit seine Ansicht bestätigendes Urteil des hiesigen 8. Zivilsenats vom 29.12.2010 - 8 U 85/10, veröffentlicht in ZIP 2011, 343.
Unabhängig davon sei sein, des Beklagten, Freiwerden von der Bürgschaftsverpflichtung durch die Zahlungen des Klägers nicht mehr schlüssig dargelegt, nachdem dieser jetzt in einem Rechtsstreit die W-bank auf Rückerstattung von 91.453,13 EUR in Anspruch nehme. Hierzu müsse der Kläger eine detaillierte und nachvollziehbare Abrechnung mit der Drittgläubigerin darlegen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das landgerichtliche Urteil darin, dass § 135 II InsO nach seinem - wie er meint - eindeutigen Wortlaut auch auf die Befreiung von Gesellschaftersicherheiten durch Leistungen nach Insolvenzeröffnung anzuwenden sei. § 44a InsO stehe dem nicht entgegen, vielmehr habe im Fall der Doppelbesicherung der Drittgläubiger ein vom Insolvenzverwalter zu beachtendes Wahlrecht, die von der Gesellschaft/Insolvenzschuldnerin oder die vom Gesellschafter gestellte S...