Leitsatz (amtlich)
Die Vereinbarung einer „Spielsperre” zwischen Spielkasino und Spieler hat vertraglichen Charakter mit der Folge, dass kein Spielvertrag zustande kommt, wenn der Spieler sich gleichwohl Einlass verschafft und am Glücksspiel teilnimmt. Gemäß § 812 BGB kann der Spieler Rückzahlung seiner geleisteten Einsätze verlangen.
Normenkette
BGB §§ 812, 814
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 4 O 394/00) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.4.2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der alle Maßnahmen fördert, die der Beratung und Behandlung Glücksspielsüchtiger dient. Die Beklagte betreibt öffentlich-rechtlich konzessionierte Spielkasinos, u.a. das Spielkasino in B.
Der Kläger macht aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Zahlung von 11.000 DM gegen die Beklagte geltend. Bei diesem Betrag handelt es sich um einen Teil der Einsätze, die der Zeuge F. im Hause der Beklagten im September und Oktober 1999 verspielt haben soll.
Der Zeuge F., der in B. wohnhaft war, besuchte schon seit Jahren zunächst unregelmäßig, im weiteren Verlauf jedoch immer häufiger und zuletzt regelmäßig das Spielkasino der Beklagten. Dabei wendete er sich nicht dem klassischen Glücksspiel, sondern dem Spiel an Geldautomaten zu. In der Spielbank befindet sich ein gesonderter Raum, in dem solche Automaten aufgestellt sind. Es gibt dort u.a. mehrere Kassen, an denen Geld gewechselt oder abgehoben werden kann, indem der Gast des Spielkasinos seine EC-Karte vorlegt, seine Geheimnummer eingibt und unmittelbar Bargeld von einem Angestellten der Beklagten ausgezahlt bekommt.
Der Zeuge F. soll durch das Glücksspiel viel Geld verloren haben. Im Jahre 1998 ließ er sich deshalb von der Beklagten für das Glücksspiel sperren. Gleichwohl spielte er weiter. In der Zeit vom 2.8.1999 bis zum 21.10.1999 erhielt er im Kasino der Beklagten durch Einsatz des o.g. Tele-Cash-Verfahrens ca. 87.000 DM. Am 21.10.1999 bevollmächtigte der Zeuge F. die Prozessbevollmächtigte des Klägers, in seinem Namen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen. Die Prozessbevollmächtigte schrieb noch am selben Tag die Beklagte an. Am 24.1.2000 trat der Zeuge F. einen Anspruch i.H.v. 11.000 DM an den Kläger ab; diese Summe beruht auf Abbuchungen vom 22.8., 4.9. und 18.10.1999 (Bl. 80 d.A.). Die Beklagte lehnte die Zahlung ab.
Mit der Klage verfolgt der Kläger den Anspruch auf Rückzahlung eines Teils der verlorenen Einsätze des Zeugen F. entspr. der abgetretenen Forderung weiter.
Der Kläger hat behauptet, die im Einzelnen bezeichneten Beträge, die der Zeuge F. im Tele-Cash-Verfahren bei der Beklagten erhalten habe, habe er verspielt.
Deshalb sei der Beklagte zur Rückzahlung verpflichtet. Die Spielverträge seien nichtig, da der Zeuge F. aufgrund krankhafter Spielsucht partiell geschäftsunfähig gewesen sei. Die abgeschlossenen Spielverträge seien auch nach § 138 BGB sittenwidrig, da die Beklagte den Zeugen F. trotz der Spielsperre habe spielen lassen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.000 DM nebst 8,42 % Zinsen aus 10.000 DM seitdem 25.5.2000 und aus 1.000 DM seitdem 6.7.2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Unwirksamkeit der Abtretung geltend gemacht; insoweit liege nämlich ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz vor. Sie hat ferner bestritten, dass der Zeuge F. alle angeblich abgehobenen Beträge im Kasino verspielt habe. Sie hat bestritten, dass der Zeuge F. partiell gschäftsunfähig gewesen sei und deshalb Spielverträge nicht zustande gekommen seien. Die Spielverträge seien auch nicht sittenwidrig. Soweit sich der Zeuge F. über die Spielsperre selbst hinweggesetzt habe, begründe dies keinen Anspruch auf Ersatz von Spielverlusten, da die Bank keine Schutzpflichten habe, die auf Wahrnehmung der Vermögensinteressen ihrer Gäste gerichtet seien.
Das LG hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen F. und Einholung eines schriftlich erstatteten psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. M. und nach der Erläuterung dieses Gutachtens der Klage nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. i.V.m. §§ 105 Abs. 2, 398 BGB stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei berechtigt, die Klageforderung geltend zu machen. Darin liege insb. kein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 1 Abs. 1 Rechtsberatungsgesetz. Das LG hat es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als bewiesen angesehen, dass der Zeuge F. zu den angegebenen Zeiten die im Einzelnen vorgetragenen Beträge über das Tele-Cash-Verfahren im Kasino der Beklagten nach Abbuchung von seinem Konto bar erhalten und sodann verspielt habe. Die mit diesem Geld abgeschlossenen Spielverträge seien abw. von § 762 Abs. 1 BGB zwar grundsätzlich wirksam, sie seien im vorliegenden Fall jedoch deshalb nicht zustande gekommen, weil sich der...