Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtteilsergänzung nach Erbausschlagung
Verfahrensgang
LG Münster (Entscheidung vom 16.12.2009; Aktenzeichen 16 O 336/09) |
Tenor
Auf die Berufungen der Beklagten werden das am 16. Dezember 2009 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster und das am 10. Februar 2010 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 28.762,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 24.06.2009 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 837,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 28.07.2009 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Widerklage abgewiesen.
Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 72 % der Beklagten und zu 28 % dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht jeweils der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über Pflichtteilsergänzungsansprüche des Klägers nach der am 21.04.2008 verstorbenen Erblasserin S2. Der Kläger nimmt die Beklagte als "Weiterbeschenkte” in Anspruch.
Der Kläger, der an diesem Verfahren nicht Beteiligte S3 und der am 29.10.2007 verstorbene Ehemann der Beklagten, S4, sind Brüder und die Söhne der Eheleute S und S2. Der Vater verstarb am 30.06.1982. Er wurde von seiner Ehefrau, der Erblasserin, allein beerbt. Zum Nachlass gehörte das im Grundbuch von P Blatt ####1, Amtsgericht Osnabrück, eingetragene Hausgrundstück Y-Straße in P.
Der Kläger erhielt nach dem Tod des Vaters von der Erblasserin einen Betrag in Höhe von 10.225,84 €.
Mit notariellem Vertrag vom 22.06.1999 übertrug die Erblasserin das Grundstück unentgeltlich auf ihre Söhne S3 und S4 zu je ½-Miteigentumsanteil. Sie selbst behielt sich ein Nießbrauchsrecht an der Grundbesitzung vor. S4 übertrug seinerseits seinen ½-Miteigentumsanteil mit notariellem Vertrag vom 10.08.2007 unentgeltlich auf die Beklagte. Er verstarb am 29.10.2007. Kinder hatte S4 nicht. Die Beklagte hat am 22.02.2008 ihre Einsetzung als Erbin ihres Ehemannes ausgeschlagen. Ebenso haben der Kläger und seine Kinder die Erbschaft als gesetzliche Miterben nach S4 ausgeschlagen.
Die Erblasserin S2 verstarb am 21.04.2008. Sie wurde von ihrem Sohn S3 allein beerbt, nachdem der Kläger und seine Kinder die Erbschaft nach der Mutter bzw. Großmutter ebenfalls ausgeschlagen haben. Der Nachlass betrug nach Abzug der Verbindlichkeiten 22.475,60 €.
S3 und die Beklagte verkauften das Grundstück Y-Straße in P mit notariellem Vertrag vom 09.06.2009 mit einem Erlös in Höhe von 320.000,00 €.
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger gegen die Beklagte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 40.000,00 € geltend gemacht. Der Bruder S3 hat ihm seinerseits einen Betrag in Höhe von 40.000,00 € gezahlt.
Widerklagend hat die Beklagte die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.419,19 € nebst Zinsen verlangt.
Sie hat sich darauf berufen, das der Anspruch gegen sie als Beschenkte gemäß § 2329 BGB subsidiär sei. Der Kläger müsse sich an den Erben halten, dieser habe 160.000,00 € aus dem Verkaufserlös bekommen. Außerdem stehe ihm der Nachlass zur Verfügung. Dem Erben verbliebe damit mehr als sein gesetzlicher Pflichtteil. Sie sei auch nicht Beschenkte im Sinne des § 2329 BGB, da die Erblasserin den Miteigentumsanteil an S4 und nicht an sie verschenkt habe. Die Vorschrift des § 822 BGB sei hier nicht anwendbar. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Weitergabe der Schenkung erfolgt sei, weil sie zur Begleichung der hohen Krankheitskosten für ihren Ehemann private Mittel eingesetzt und einen Kredit über 20.754,24 € aufgenommen habe. Der Kläger habe seinerseits erheblich Zuwendungen von der Erblasserin erhalten, die er sich anrechnen lassen müsse.
Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des im ersten Rechtszug streitigen Vorbringens der Parteien und der in der ersten Instanz gestellten Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils vom 16.12.2009 Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit dem am 16.12.2009 verkündeten Urteil der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Dabei ist es davon ausgegangen, dass durch die unentgeltliche Weitergabe des Geschenks die Haftung gemäß §§ 2329, 822 BGB auf die Beklagte verlagert worden sei. Die Voraussetzungen des § 2329 BGB seien erfüllt. Der Kläger sei pflichtteilsberechtigt mit einer Quote von ¼. Der Nachlass habe unstreitig 22.475,60 € betragen. Unter Hinzurechnung des unstreitigen Wertes des Grundstücks von 320.000,00 € ergebe sich ein fiktiver Nachlass in Höhe von 342.475,60 €. Davon könne der Kläger ¼ = 85.618,90 € verlan...