Leitsatz (amtlich)
Eine rund 10 cm hohe Treppenstufe in einem 8,45 Meter langen Zuweg zu einem Hauseingang auf einem rund 13 cm hohen Absatz eines Mehrfamilienhaus begründet keine abhilfebedürftige Gefahrenstelle, wenn sich diese - wie hier - auch in der Morgendämmerung optisch deutlich durch ihre Ausgestaltung als ein sich über die gesamte Wegbreite erstreckendes Element von dem im Übrigen gepflasterten Weg absetzt.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 2 O 67/19) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 18.09.2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum (AZ I-2 O 67/19) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(abgekürzt gemäß §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO)
I. Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht seitens der Beklagten zu. Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich ergänzten Beweisaufnahme durch Einholung eines lichttechnischen Gutachtens teilt der Senat die Ansicht des erstinstanzlich erkennenden Richters, dass die streitgegenständliche Stufe in einer Entfernung von 2,45 m vom Hauseingang ... in N zum Unfallzeitpunkt ausreichend erkennbar war. Damit ist der Sturz des Klägers am 00.00.2018 gegen 6 Uhr morgens nicht durch die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht seitens der Beklagten verursacht. Im Einzelnen:
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 23.04.2020 - III ZR 250/17 - juris Rn. 25 m. w. N.) ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung Anderer zu vermeiden. Da eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, aber nicht zu erreichen und nach der berechtigten Verkehrsauffassung auch nicht zu erwarten ist, reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Verkehrssicherungspflichtig ist auch derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt. Eine Verkehrssicherungspflicht besteht angesichts dessen nur dann, wenn eine Gefahrenquelle geschaffen oder andauern gelassen wird, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar ist und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (vgl. BGH, Urteil vom 25.02.2014 - VI ZR 299/13 - juris Rn. 9 m.w.N.; so auch BGH, Urteil vom 24.08.2017 - III ZR 574/16 - juris Rn. 13). Ein Tätigwerden des Verkehrssicherungspflichtigen zur Gefahrenabwehr ist folglich (nur) dann geboten, wenn sich bei sachkundiger Beurteilung die nahe liegende Möglichkeit einer Rechtsgutverletzung Anderer ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 09.09.2008 - VI ZR 279/06 - juris Rn. 10 m. w. N.).
2. Die Anwendung dieser Grundsätze führt im vorliegenden Einzelfall - im Ergebnis mit der erstinstanzlichen Entscheidung übereinstimmend - zur Verneinung einer abhilfebedürftigen Gefahrenstelle:
Es ist nicht in Zweifel zu ziehen, dass gerade Treppenstufen im Hauseingangsbereich eine Gefahrenquelle darstellen können. Daher ist sicherzustellen, dass sie als solche bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt rechtzeitig erkennbar sind. Dies war bei der streitgegenständlichen Stufe nach dem Ergebnis der erst- und zweitinstanzlich durchgeführten umfassenden Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der Lichtverhältnisse, des Benutzerkreises sowie der konkreten optischen und witterungsbedingten Ausgestaltung des Weges der Fall. Weder die vom Kläger gerügte fehlende und vom Sachverständigen empfohlene Markierung noch eine unzureichende Beleuchtung vermögen die Annahme einer abhilfebedürftigen Gefahrenstelle zum Zeitpunkt des Sturzes zu begründen.
a. Nach den Feststellungen im lichttechnischen Gutachten (Anlage A 5) befindet sich ausgehend vom Hauseingang hinter der Haustür zunächst ein ca. 13 cm hoher Absatz. Dieser mündet in den rund 2,20m breiten, zum Bürgersteig hin abschüssigen und insgesamt ca. 8,45 m langen Zuweg. In einer Entfernung von 2,45m vom Absatz aus befindet sich die streitgegenständliche Stufe mit einer Höhe von rund 10 cm.
Diese ist optisch deutlich durch ihre Ausgestaltung als ein sich über die gesamte Wegbreite erstreckendes Element von dem im Übrigen gepflasterten Weg abgesetzt. Dadurch wird - wie üblich - der Charakter als Stufenstein optisch hervorgehoben. Einer gesonderten Markierung - wie vom Sachverständigen empfohlen - bedurfte es daher (noch) nicht. Die vom Sachverständigen festgestellten alters- und witterungsbedingten farblichen Angleichungen zwischen den Pflastersteinen und dem Stufenelement über die gesamte Stufenbreite führen zu keiner anderen Bewertung, da jedenfalls zum Zeitpunk...