Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherung: Verhältnis zur Gliedertaxe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bemessung des Invaliditätsgrades außerhalb der sog. Gliedertaxen, also die Bemessung gem. § 7 Abschn. I Abs. 2 Buchst. c) AUB 88/94 hat sich - gleichwohl - auch an den in Buchst. a) vereinbarten Gliedertaxen zu orientieren und darf nicht zu einem Wertungswiderspruch mit diesen führen (Festhalten an Senat, VersR 1993, 472).

Ob dabei auch dann auf die - dem Versicherungsnehmer mitgeteilte - Ausgangsregelung in § 7 Abschn. I Abs. 2 Buchst. a) und b) AUB 88/94 abzustellen ist, wenn durch Besondere Bedingungen vereinbart ist, dass bei bestimmten der in Buchst. a) genannten Beeinträchtigungen ein höherer Invaliditätsgrad angesetzt wird (sog. verbesserte Gliedertaxe), oder ob dann diese verbesserten Gliedertaxen maßgeblich sind, bleibt offen.

2. Zur Bemessung der Invalidität mit 50 % bei Einsteifung der Halswirbelsäule und weiteren Beeinträchtigungen.

 

Normenkette

AUB 88 (94) § 7 Abschn. I Abs. 2 Buchst. c

 

Verfahrensgang

LG Detmold (Urteil vom 21.09.2006; Aktenzeichen 9 O 568/05)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 21.9.2006 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des LG Detmold wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % der nach dem Urteil vollstreckbaren Beträge abzuwenden, falls die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages erbringt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt als Versicherungsnehmer die Beklagte auf Zahlung einer (weiteren) Invaliditätsentschädigung aus einer Unfallversicherung, der die AUB 88 zugrunde liegen und in der Sohn des Klägers (im Folgenden: der Versicherte) versichert ist, in Anspruch. Die vereinbarte Invaliditätsgrundsumme beträgt unstreitig 159.023 EUR, die vereinbarte Progression 350 %. Streitig ist zwischen den Parteien, ob die Nr. 19 der Besonderen Bedingungen (verbesserte Gliedertaxe, Bl. 100 d.A.), Geltung findet.

Dies hat die Beklagte mit Schreiben vom 22.8.2006 ausdrücklich bestätigt (Bl. 85 d.A.).

Der Versicherte erlitt am 2.4.2003 einen schweren Unfall (Sturz von einer rd. 4 m hohen Arbeitsbühne). Er erlitt dabei einen Genickbruch im Bereich des 2. Halswirbelkörpers (der operativ behandelt wurde), einen Kompressionsbruch des 6. Brustwirbelkörpers (der konservativ behandelt wurde) sowie diverse Hautverletzungen.

Die LVA hat mit Bescheid vom 6.5.2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung anerkannt.

Nach Meldung des Unfalls beauftragte die Beklagte die Begutachtung des Versicherten durch Dr. B. In dem Gutachten vom 3.5.2004 gelangte dieser zum Ergebnis, dass der Invaliditätsgrad 50 % betrage. Dieses Ergebnis wurde durch das Gutachten von Dr. T vom 16.3.2005 bestätigt. Die Beklagte erkannte daraufhin einen Invaliditätsgrad von 50 % an und zahlte eine Invaliditätsentschädigung (unter Verrechnung von Vorschüssen) i.H.v. 159.023 EUR

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Invaliditätsgrad des Versicherten 80 % betrage, sodass die Beklagte - wegen der Progressionsstaffel - weitere 238.534 EUR schulde.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 238.534,50 EUR nebst Zinsen zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn den über 238.534,50 EUR hinausgehenden Betrag zu zahlen, der sich aus der Unfallversicherung aufgrund der festgestellten Invalidität ergibt.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat eine über 50 % hinausgehende Invalidität bestritten. Bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades sei nur auf § 7 Abs. 1 Nr. 2c AUB 88 nach einem objektivierten Maßstab abzustellen, ohne das konkrete Umfeld des Versicherten zu berücksichtigen.

Das LG hat ein Gutachten des Sachverständigen Dr. F vom 6.4.2006 (Bl. 34 ff. d.A.) eingeholt und den Sachverständigen ergänzend mündlich angehört (Bl. 77 ff. d.A.). Es hat die Klage abgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt:

Es sei - da die Gliedertaxe nicht anwendbar sei - auf die Beeinträchtigung der normalen körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit abzustellen. Eine Wechselwirkung zwischen Gliedertaxe und allgemeiner Beeinträchtigung gebe es nur im begrenzten Umfang. So könne eine 100 % Invalidität nicht erst dann bejaht werden, wenn der Versicherungsnehmer gar nicht mehr beruflich tätig sein könne und auch nicht am täglichen Leben teilnehmen könne. Denn nach der Gliedertaxe könne bereits der Verlust einzelner Glieder zu einer 100 %igen Invalidität führen.

Nach dem Gutachten von Dr. F sei aber keine über 50 % hinausgehende Invalidität festzustellen. Insbesondere habe der Sachverständige die Einschränkung der Bewegungsfähigkeit der LWS und die Kraftminderung an der rechten Hand berücksichtigt.

Ein erhöhter Anspruch folge nicht aus der verbesserten Gliedertaxe, denn diese sei nicht vereinbart worden.

Wegen der weitere Einzelheiten wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezu...

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