Leitsatz (amtlich)
1. Ein eventuell bestehendes Konkurrenzverhältnis zwischen § 179 SGB VI und § 119 SGB X löst sich dahingehend auf, dass, insbesondere vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 10. Juli 2007, VI ZR 192/06, vom 01. Juli 2014, VI ZR 546/14 und vom 16. Juni 2015, VI ZR 416/14, ein stetiger Vorrang des § 119 SGB X zugunsten des Rentenversicherungsträgers zu verneinen ist, wenn und soweit der Bund Rentenversicherungsbeiträge erstattet, die den Erwerbsschaden des Geschädigten zu kompensieren geeignet sind.
2. Es ist nicht ersichtlich, warum der Rentenversicherungsträger, der selbst keine Beiträge zur Kompensation dieses Schadens erbracht hat, Inhaber eines nach § 119 SGB X auf ihn übergegangenen Anspruchs sein soll, den ein anderer Leistungsträger erfüllt hat. Durch die Schaffung des § 179 SGB Abs. 1 a VI sollte vielmehr genau für diesen Fall dem Bund eine Regressmöglichkeit an die Hand gegeben werden, wenn er den Erwerbsschaden des Geschädigten ausgeglichen hat
Normenkette
SGB VI § 179 Abs. 1a; SGB X § 119; StVG § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 08 O 319/16) |
Tenor
Auf die Berufung des klagenden Landes wird das am 02.02.2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Münster teilweise abgeändert.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an das klagende Land 8.232,82 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.12.2016 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, nach einer Quote von 40 % die übergangsfähigen Ansprüche zu erfüllen und die berechtigten Aufwendungen in Gestalt der erstatteten Rentenversicherungsbeiträge des klagenden Landes zu ersetzen, die das klagende Land als Folge der Verletzung von Frau X (geb. ........1982) aus dem Verkehrsunfall vom 16.12.2006 im Kreuzungsbereich H Straße/C-weg, N, zu erbringen hat und erbringen wird, soweit die streitgegenständlichen übergangsfähigen Ansprüche nicht bereits von dem Klageantrag zu Ziff. 1) erfasst sind.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen das klagende Land zu 16 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 84 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Das klagende Land begehrt die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen, die der Bund für ein Unfallopfer erstattet hat, welches nach dem Unfall in einer Behindertenwerkstätte arbeitete.
Am 16.12.2006 wurde X bei einem Unfall mit einem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten, auf die Beklagte zu 1) zugelassenen Abschleppwagen verletzt und erlitt u.a. ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, ein Hirnödem und umfangreiche Lähmungen und ist seitdem auf die Benutzung eines Rollstuhls, die Ernährung durch eine Magensonde und die umfassende Hilfe Dritter angewiesen.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagten für 40 % der Unfallfolgen einzustehen haben.
Die Geschädigte hatte den Realschulabschluss erlangt, eine Ausbildung zur Kinderpflegerin abgeschlossen und in diesem Beruf seit September 2006 in einer Kindertagesstätte der Arbeiterwohlfahrt in N gearbeitet.
Seit dem 08.05.2010 arbeitet die Geschädigte unfallbedingt in einer Behindertenwerkstätte.
Der Bund erstattete Rentenversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 08.05.2010 bis Dezember 2015 einschließlich in Höhe von insgesamt 26.670,83 Euro.
Mit dem vorliegenden Verfahren macht das klagende Land die auf den Bund übergegangenen Ansprüche in dessen Auftrag gegenüber den Beklagten geltend.
Das klagende Land hat die Auffassung vertreten, dass entsprechende Schadensersatzansprüche der Geschädigten gegen die Beklagten auf den Bund übergegangen seien. Auch sei eine Verjährung der Ansprüche nicht eingetreten, da der für die Geltendmachung von Regressansprüchen zuständige Bedienstete erstmals mit Zugang des Schreibens des LWL am 27.08.2015 Kenntnis von den Ansprüchen erlangt habe.
Das klagende Land hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an dieses 10.668,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.07.2016 zu zahlen;
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, nach einer Quote von 40 % die übergangsfähigen Ansprüche zu erfüllen und die berechtigten Aufwendungen des klagenden Landes zu ersetzen, die es als Folge der Verletzung von Frau X, geboren am ........1982, aus dem Verkehrsunfall vom 16.12.2006 im Kreuzungsbereich H Straße/C-weg, N, zu erbringen hat und erbringen wird, soweit die streitgegenständlichen und übergangsfähigen Ansprüche nicht bereits von dem Klageantrag zu Ziffer 1) erfasst sind.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Auffassung, sämtliche Ansprüche der Verletzten seien bereits gemäß § 119 SGB X im Unfallzeitpunkt auf die Deutsche Rentenversicherung übergegangen, zumal diese bereits im Jahre 2008 den Beitragsregress angemeldet habe. So seien verschiedene Teilzahlungen an die Deutsche Rentenversicherung vorge...